Der Anblick der Welt, die sie einmal mehr auf grausame Art ihrer Hoffnung beraubt hatte, war ihr zutiefst zuwider (Seite 173)

 

Cover: Die Bank unter der LindeZum Inhalt

Nachdem Dorothea mit ihrer Familie in das neuerworbene, renovierte alte Bauernhaus gezogen ist, macht sie die Bekanntschaft mit Benedikt Rathenberger, der vor vielen Jahren in eben diesem Haus geboren wurde. Das Buch mit handschriftlichen Eintragungen einer Mariele Kremeter-Schwartz, welches Dorothea auf dem alten Heuboden gefunden und das ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, entpuppt sich als eine Art Tagebuch einer der ersten Bewohnerinnen dieses Hauses - und als das der Urgroßmutter ihrer neuen Bekanntschaft.
So beginnt Dorothea anhand der Aufzeichnungen und der Erzählungen des alten Herrn Rathenberger die Geschichte jener Mariele zu erforschen und zu erzählen. Es entsteht das Bild einer couragierten Frau, die allen Widrigkeiten zum Trotz dennoch ihren Weg, der oft mehr Leid denn Freud mit sich brachte, gegangen ist. Über die Jahrzehnte hinweg wird ein Bogen in die Jetztzeit geschlagen, denn manches, was Dorothea erfährt, manche Parallele, die sich auftut, ist durchaus für die heutige Zeit aktuell.  

 

Kommentar / Meine Meinung

Mit dem Buch hat es so seine Bewandtnis. Eigentlich wollte ich es im Herbst kaufen und dann irgendwann lesen, weil mich der Verlagswerbetext ansprach. Und weil ich immer wieder bewußt zu Büchern deutscher Autoren greife.

Durch Umstände, die ich hier nicht zu erwähnen brauche, blieb es jedoch nicht bei dem „eigentlich“, sondern das Buch wurde jetzt erworben und sofort gelesen. Ich will nun nicht so hoch greifen, und wie im Buch an einigen Stellen Gottes Handeln vermuten, aber seltsam ist es schon irgendwie, daß ich relativ kurz, nachdem ich ein Buch gelesen habe, welches für mich die Theodizee-Frage theoretisch beantwortet hat ein solches in die Finger bekomme, das mir dann das für das praktische Leben zeigt. Vielleicht doch ein „Schubs“ von höherer Stelle aus in die „richtige (Lese-)Richtung“?

Angespielt habe ich auf „Das Gelübde der Mary Margaret“ von Lisa Samson, und für mich unerwartet wurde das durch dieses Buch hier, das mit dem genannten nur den deutschen Verlag gemein hat, wie zu einer Art „Fortsetzung auf anderer Ebene“. Um nicht falsch verstanden zu werden: beide Bücher sind völlig unabhängig voneinander. Verschiedene Zeit, verschiedene Länder (als Handlungsorte) und verschiedene Personen, die miteinander aber auch überhaupt nichts zu tun haben.

Aber „Das Gelübde der Mary Margaret“ hat mir erstmals eine sinnvolle und nachvollziehbare Antwort auf die Theodizee-Frage gegeben. Während das dort eher theoretisch thematisiert wurde, fand ich hier dann eher die praktische Seite vor.

Das Buch besteht aus zwei Zeitebenen: aus der der Jetztzeit, in der die Ich-Erzählerin lebt und agiert und die der Mariele, die um 1819 einsetzt. Beide Ebenen sind verbunden durch das Haus und die Erzählungen des Herrn Rathenberger, dessen Großvater der älteste Sohn eben jener Mariele war. Der Wechsel der Ebenen ist für meine Begriffe sehr gut gelungen, ich war in beiden Handlungsläufen jeweils sehr schnell heimisch. Dabei hat es die Autorin geschafft, daß ich durch den Wechsel nie den Überblick oder den Anschluß verloren habe, sondern problemlos beiden Erzählsträngen folgen konnte.

Wie das Zitat, welches ich über die Rezi gestellt habe, andeutet, ist im Buch oft nicht gerade eitel Sonnenschein. Das Leben auf einem Kleinbauernhof im 19. Jahrhundert war hart und beschwerlich, wenn dann noch Schicksalsschläge hinzukamen (wie sie zu der Zeit wohl häufig waren), kann man sich schon das eine oder andere Mal fragen, wie die Menschen das eigentlich überstanden haben. Soweit ich das beurteilen kann, fand ich das damalige Leben recht zutreffend beschrieben. Man mußte/wollte sehen, wie man zurecht kam. Schlecht für die, die am kürzeren Hebel saßen. Daß Mariele, die „Heldin“ der Vergangenheitsebene, trotz aller Tiefschläge ihr Leben meistern konnte, hat sie gewißlich zu einem guten Teil ihrem Gottvertrauen zu verdanken. Das jedoch besaß sie nicht von Anfang an, sondern mußte hart und schmerzhaft „erarbeitet“ werden. Hierauf bezieht sich meine obige Bemerkung, daß es im Buch um die „praktische Theodizee“ geht, obwohl das so nirgends auftaucht.

Stilistisch hat mich das Buch sehr positiv überrascht. Nach wenigen Sätzen war ich drin in der Handlung, der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit ging immer problemlos. Beide Welten wurden in meinem Kopf lebendig und haben mich immer tiefer hineingezogen. Nach viel zu kurzen 315 Seiten mußte ich dann in meine Welt zurückkehren. Durchaus in einer ähnlichen Situation wie die Ich-Erzählerin, die die Beschäftigung mit der früheren Bewohnerin ihres Hauses zum Anlaß genommen hat, ihr eigenes Leben zu überdenken. Und so schließe ich das Buch mit einer gewissen Nachdenklichkeit, was ich denn für mein eigenes Leben daraus lernen und übernehmen kann.  

 

Kurzfassung

In zwei Zeitebenen erfahren wir die Geschichte (einer) der ersten und der heutigen Bewohner eines alten Bauernhauses. Freud und Leid verbinden sich zu einer Geschichte, die über die Zeiten hinweg verbindet und manche Parallelen aufdeckt. Und die zeigt, daß ein gesundes Gottvertrauen nicht gottgegeben ist.  

 

 

Über die Autorin

Dorothea Morgenroth ist das Pseudonym einer Autorin, die bisher etliche Kinderbücher veröffentlicht hat. Sie wurde 1965 geboren, ist verheiratet und hat vier Kinder. Mit ihrer Familie lebt sie im süddeutschen Raum; dies ist ihr zweiter historischer Roman.  

 

Bibliographische Angaben

315 Seiten, gebunden Verlag: Gerth Medien GmbH, Aßlar 2012

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