Doch Weiser Vogel ahnte, was dies alles bedeutete: Die Comanchen und alle, die so waren wie sie, waren zum Aussterben verurteilt. (Seite 225)

Cover: Der Tanz des KriegersZum Inhalt

Über zehn Jahre sind vergangen, seit aus John Dunbar Der-mit-dem-Wolf-tanzt wurde. Mit seiner Frau Die-sich-mit-der-Faust-behauptet und ihren drei Kindern lebt er glücklich bei den Comanchen. Doch am Himmel ziehen dunkle Wolken auf. Immer mehr Weiße stömen ins Land, die Büffel werden ausgerottet - und Die-sich-mit-der-Faust-behauptet wird bei einem Überfall auf das Dorf von Rangern entführt. Der aussichtslose Kampf um das freie Leben auf der Prärie geht in seine letzte Runde.

 

 

 

Kommentar / Meine Meinung

John Dunbar war schon lange tot. Wenn man an die seltsamen Umstände denkt, unter denen er seinerzeit an die Siedlungsgrenze versetzt wurde und zu den Comanchen kam, ist es kein Wunder, daß man ihn als tot betrachtete - falls sich überhaupt noch jemand an ihn erinnerte. Ihm war das sicherlich mehr als recht, lebte er doch glücklich und zufrieden mit seiner Familie schon seit über zehn Jahren bei den Comanchen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte das bis zu seinem Ende so bleiben können. Aber nicht immer gehen Wünsche in Erfüllung.

Denkt man an die Zeit, in der die Handlung dieses Romans beginnt, wird dem geneigten Leser sofort klar, daß es die letzten Jahre des freien Lebens der Comanchen sind. Ihre Zeit ging zu Ende und würde bald für immer vorüber sein. So schloß „Der mit dem Wolf tanzt“ - und dieses Ende ist der Inhalt vom „Tanz des Kriegers“. Ich habe das Buch darob mit einer gewissen Beklemmung begonnen, war mir doch bewußt, daß da harter Stoff auf mich zu kommen würde, daß es vermutlich auch unter den Hauptfiguren Tote zu beklagen sein würden - und daß die Welt, wie sie im Vorgängerbuch sowie hier zu Beginn beschrieben wird, endgültig untergegangen sein wird.

Meine Vorahnung hatte mich nicht getrogen.

Stilistisch empfand ich den „Tanz des Kriegers“ besser als seinen Vorgänger; inwieweit das möglicherweise (auch) an der Übersetzung liegt, habe ich nicht weiter erkundet. Allerdings habe ich mich an manchen Stellen ertappt zu wünschen, daß es doch eher umgekehrt wäre. Zwar ist auch hier die Sprache eher Richtung nüchtern und sachlich denn ausladend beschreibend; aber die Ereignisse waren auch so noch schlimm genug, daß ich immer wieder beim Lesen einhalten und kurz pausieren mußte, und sei es nur, weil wieder mal ein Staubkorn oder ähnliches ins Auge geflogen war und ich auf wieder klare Sicht warten mußte.

Ich habe schon manches zum Thema Indianerkriege / Untergang des freien Lebens gelesen, aber noch nie fand ich den Kontrast zwischen der Lebensweise der Indianer und der des Weißen Mannes so kraß und beeindruckend beschrieben wie hier. Das Buch wird, bis auf wenige Kapitel, konsequent aus Sicht des Roten Mannes erzählt, ebenso wie Begegnungen zwischen Roten und Weißen. Vor allem in diesen Szenen des direkten Aufeinandertreffens werden die großen, vielleicht unüberbrückbaren, Gegensätze der beiden Lebensweisen deutlich. Genau so, wie mehr als deutlich wird, daß die Weiße, im Gegensatz zur Roten, keine andere neben sich duldet und entweder bedingungslose Unterwerfung fordert - oder mit Vernichtung droht. Und letztere im Zweifel eher früher denn später vollzieht.

Recht bald wird aber klar, daß es einen weiteren Grund gibt, weshalb die Indianer auf mittlere und längere Sicht kaum eine Chance hatten: nämlich ihre Uneinigkeit. Als die Bedrohung von außen immer größer wurde, zerfielen die Gemeinschaften in zwei Lager: die, die für die alte Lebensweise kämpfen wollten und die, die Frieden und bis zu einem gewissen Grade Anpassung wollten. Mir fiel beim Lesen fatalerweise eine, eigentlich wohl recht weit hergeholte, Parallele zu unserer heutigen Zeit ein: die aktuelle Flüchtlingskrise hat in der EU quasi zur Bildung von zwei Lagern geführt, die sich mehr oder weniger unversöhnlich gegenüber stehen. Was aus solcher Uneinigkeit folgt (oder folgen kann), mag sich jeder selbst ausmalen. Andererseits, seit wann hat der Mensch je aus der Geschichte gelernt?

Oder wann haben Lernwillige jemals etwas zu sagen gehabt? Recht deutlich wird der Kontrast in einer der bewegendsten Szenen des Buches, nämlich der Ansprache, die Häuptling Zehn Bären im Weißen Haus in Gegenwart des Präsidenten hält. Letzterer zeigt seine Ignoranz, vor allem aber sein Unverstehen, mehr als überdeutlich in seiner Erwiderung darauf. Es gab nichts mehr zu sagen. Außer mit der Sprache der Waffen.

Danach ging es relativ schnell; aber auch das hat seine Gründe. Denn während die Delegation der Indianer in Washington empfangen wurde, liefen die Kriegsvorbereitungen der US Army auf Hochtouren. Die wesentlichen im Buch beschriebenen Schlachten haben tatsächlich, und mit demselben Ausgang wie im Roman, stattgefunden. Wieder und wieder habe ich mich beim Lesen gefragt, wie eine Nation, ein Staat, der sich - um es sehr vorsichtig auszudrücken - mit solchen doch recht zweifelhaften Methoden (vom Vertragsbruch bis hin zu Ausrottung ganzer Völker) zu seiner Größe (?) erhoben hat, einen moralischen oder gar einen Führungsanspruch erheben kann. Aber damals wie heute zählt offensichtlich die reine wirtschaftliche und militärische Macht und Stärke. Was bedeuten da schon Ethik und Moral?

Am Ende angekommen, man hat es längst geahnt, ist das freie Leben der Indianer nicht mehr existent, und haben viele, zu viele, der vertrauten und liebgewordenen Figuren die Sterne überquert. Zurück bleiben Erinnerungen und Legenden, mögen sie wahr oder erfunden sein, an die, die einmal waren. Und wenn irgendwo ein Wolf heult, wer weiß, ob es nicht auch unter ihresgleichen eine Erinnerung gibt an den, der einstens genannt wurde Der-mit-dem-Wolf-tanzt.

 

Kurzfassung

In melancholischer Grundstimmung wird die Geschichte von Der-mit-dem-Wolf-tanzt weitererzählt - bis hin zum tragischen Ende der Comanchen.

 

Über den Autor

Michael Blake, geb. 1945, studierte Journalismus an der University of New Mexico und absolvierte eine Filmschule in Berkeley. Er war verheiratet und hatte drei Kinder. Nach Jahren in Los Angeles lebte er auf einer Farm in Arizona. Er starb am 12. Mai 2015 in Tuscon.

Bibliographische Angaben
Das Vorgängerbuch: Blake, Michael: Der mit dem Wolf tanzt
Originaltitel: The Holy Road; Aus dem Amerikanischen von Petra Kall
399 Seiten, kartoniert. Verlag: Bastei Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2003