Nun ja, manchmal bekommt man eben ein anderes Leben, als man es sich erträumt hat. Aber das bedeutet ja nicht, dass es schlecht ist. Es ist immerhin ein Leben, nicht wahr? (Seite 267)

 

Cover: WinterblüteZum Inhalt

Advent 1902 im Ostseebad Heiligendamm. Christian Baabe findet am Strand eine bewußtlose junge Frau, die offensichtlich vom Meer angespült wurde. Erwacht, kann sie sich an nichts erinnern. Baabes haben ein Gästehaus, so daß sie dort unterkommt. Aber die Mutter Augusta ist der Fremden gegenüber von Anfang an feindselig.
Die Tochter Johanna soll am Weihnachtsball einem ihren Eltern genehmen Bewerber ihr Jawort geben, hat sich aber längst in Peter Vandenboom verliebt. Beide Familien sind jedoch seit Menschengedenken miteinander verfeindet.
Als Christian Gefühle für die Fremde zu entwickeln beginnt, verkompliziert sich die Situation zusehends und ein friedliches Weihnachten rückt in immer weitere Ferne.

 

 

Meine Meinung

Für die Weihnachtszeit habe ich mir ein Buch, das tief im 19. Jahrhundert spielt, vorgenommen. Quasi als Zwischenstation auf dem Weg zurück in die Vergangenheit schien mir die „Winterblüte“ gut geeignet. Um es gleich vorweg zu nehmen: das Buch hat meine Erwartungen mehr als erfüllt.

Zwar ist die Küste bzw. das Meer überhaupt nicht unbedingt eine Gegend, in die ich freiwillig reisen möchte, aber die Autorin hat das Ostseebad Heiligendamm so, fast hätte ich geschrieben, „anheimelnd“ geschildert, daß sogar ich mich dort wohl fühlen würde - zu jener Zeit jedenfalls. Es war die Zeit, als die allerersten Automobile auftauchten, es noch gesellschaftliche Konventionen gab und die Kleiderordnung eine ganz andere als heute war. Eine Zeit, in der „schnell, schnell“ dennoch hieß, daß man erst ein Pferd satteln mußte, ehe man hinforteilen konnte.

Aber auch eine Zeit, in der Eltern von ihren Kindern Gehorsam erwarteten und - in gehobenen Kreisen - oft auch die Ehepartner aussuchten, nicht immer zur Freude der Betroffenen. Es liegt nahe, daß das mehr oder weniger oft trotz aller Zwänge und Gewohnheiten zu Reibereien bis hin zu Schlimmerem geführt hat. Und so bleiben Konflikte in diesem Buch nicht aus, denn Johannas Eltern wollen, daß sie auf dem Weihnachtsball einen ihnen genehmem Bewerber das Ja-Wort gibt. Nur hat sie sich längst in einen anderen Mann verliebt, doch mit dessen Familie gibt es eine jahrzehntelange Feindschaft, so daß es ausgeschlossen erscheint, daß die Eltern da je zustimmen würden.

Zu allem Überfluß taucht dann noch eine Schiffbrüchige auf, die ihr Gedächtnis verloren hat. Ihr Erscheinen versetzt die Dame des Hauses in Panik (weshalb, erfährt der geneigte Leser erst weiter hinten im Buch), und als sich zudem eine Liaison zwischen der Unbekannten und Christian, dem Sohn des Hauses, andeutet, wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die eigentlich nur zu einer Katastrophe führen kann.

Es ist der Autorin gelungen, die Welt um 1902 solcherart zum Leben zu erwecken, daß ich das Gefühl hatte, mitten im Geschehen dabei zu sein. Und zwar in einem Geschehen im Tempo der damaligen Zeit, nicht der unseren. Die Figuren dachten und handelten glaubhaft und nachvollziehbar, auch wenn uns heutigen manches sicher unverständlich ist. Aber es war eben eine andere Zeit. Als verbindendes Glied eingeflochten in die Handlung ist die Legende um die Barbarazweige, welche am Barbaratag, dem 4. Dezember geschnitten, zu Weihnachten erblühen und einen Hinweis auf kommendes Glück oder Unglück geben sollen.

Insgesamt für mich ein, trotz der durchaus vorhandenen spannenden Momente, ruhiges Buch, bei dem Form und Inhalt einander entsprechen, das mir darob einige schöne Lesestunden zur Einstimmung auf die Weihnachtstage bereitet hat.

 

Mein Fazit

Ein ruhiger Roman, der die Welt im Advent 1902 zum Leben erweckt und trotz aller Härte der damaligen Zeit ein wohliges Gefühl der „guten alten Zeit“ vermittelt.

 

 

Über die Autorin

Corina Bomann wuchs in Mecklenburg auf. Bis 2002 arbeitete sie als Zahnarzthelferin, seither ist sie hauptberuflich als Schriftstellerin tätig. Sie hat etliche erfolgreiche Romane geschrieben und lebt in Berlin.

Bibliographische Angaben

379 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Verlag: List (Ullstein Buchverlage GmbH), Berlin 2016. ISBN 9783471351420