Der weiße Mann führte zwei Kriege. Einen, um uns zu töten. Und einen, um die Erinnerung daran auszulöschen.
Black Kettle, Cheyenne Häuptling (1867, S. 7)
„So ein Mist. Es ist doch nur ein Kind! Wer schießt denn auf Kinder?“
Collins zuckte mit den Schultern. „Jeder, wenn es sich um Indianer handelt. Wir haben ja auch geschossen.“
Josh sagte nichts mehr, denn sein Bruder hatte recht. Jeder schoss auf Indianer. Zumindest hier draußen. (Seite 274)

 

Cover: Im fahlen Licht des MondesZum Inhalt

Im Winter 1876, nach der Schlacht am Little Big Horn, wird das Camp der Cheyenne des Nachts ohne Vorwarnung von Soldaten überfallen. Sie schießen auf alles, was sich bewegt. Nur wenige können entkommen, darunter auch Moekaé und ihr Mann Heskovetse. Alle Vorräte und ihre gesamte Habe verloren, steht ihnen ein harter Winter bevor. Nach verlustreichen Kämpfen und vom harten Winter geschlagen, ergeben sie sich und werden deportiert. Nur, um in den zugewiesenen Quartieren mehr tot als lebendig dahinzusiechen - denn gegebene Versprechen werden nicht eingehalten.
Inzwischen hochschwanger, bleibt Moekaé zusammen mit ihrer kleinen Nichte, deren Eltern von den Soldaten erschossen wurden, nur noch die Flucht. Mitten in einem Schneesturm wird sie angeschossen und verliert das Bewußtsein. Alles scheint endgültig verloren...

 

 

 

Meine Meinung

„Ich fand es beim Schreiben ganz schön, dass ich auch mal ‘nette’ Weiße hatte und nicht nur mordende Soldaten.“ So schreibt Kerstin Groeper im Nachwort (S. 582). Zu dem Zeitpunkt, da diese „netten Weißen“ auftauchten, war es allerdings allerhöchste Zeit für ein paar erfreuliche Gestalten. Denn bis dahin war schon so viel Leid, Schmerz und Tod passiert, daß mein Haß- und Wutpotential ins schier Unermeßliche gestiegen war. Dabei hat die Autorin die Kriegs-, eher Massakerszenen, weder unnötig ausgedehnt noch übermäßig detailgetreu beschrieben, sondern die genau richtige Balance zwischen Beschreiben und Weglassen gefunden, so daß man sich alles genau vorstellen konnte, ohne daß man als Leser horrormäßig „im Blut baden“ mußte. Schlimm genug war es dennoch. Und dieser Teil gehört, man werfe einen Blick in die Geschichtsbücher, eindeutig zum Bereich „Fakt“ und nicht zur Fiktion.

Das Buch besteht eigentlich aus zwei Teilen, die im Verhältnis ungefähr ein Drittel zu zwei Drittel zueinander stehen. Viel länger hätte der erste Teil aber nicht sein dürfen, um nicht doch die Grenze des Ertragbaren zu überschreiten. Dabei sitzt der Leser möglicherweise gemütlich im Wohnzimmer, während die der Erzählung zugrunde liegenden Menschen das einstens durchleiden mußten. Sicher sind Moekaé und ihre Nichte Rotes Blatt fiktive Figuren, jedoch tauchen etliche historisch belegte auf und wenn man sich deren Lebensweg ansieht, wird man feststellen, daß die Autorin die damaligen Geschehnisse ziemlich zutreffend wiedergegeben hat.

Und in diesem zweiten Teil, der beginnt, als die „netten Weißen“ endlich auftauchen, finden sich die für meine Begriffe beeindruckendsten Stellen; das sind nicht unbedingt die von Kampf und Krieg. Die ganze Kraft ihres Könnens zeigt die Autorin vor allem in den eher stillen, ruhigen und nachdenklichen Momenten, die auf mich am Ergreifendsten wirkten; etwa wenn Moekaé von mitleidigen Menschen versorgt wird und die Erinnerungen an frühere Zeiten hochkommen. (S. 213) Oder wenn sie nach langem Leidensweg wieder dem alten, einst so stolzen und nun nur noch müden, Häuptling Dull Knife gegenübersteht. „Ich dachte, Indianer weinen nicht.“ Offensichtlich ein Irrtum, und es mag durchaus sein, daß dann nicht nur im Buch die Tränen fließen, weil gerade in solch ruhigen Szenen eine Eindringlichkeit zutage tritt, die tief unter die Haut geht und berührt.

„Ich möchte mit meinen Büchern unterhalten, aber auch Wissenswertes vermitteln. Am meisten möchte ich jedoch Betroffenheit auslösen.“, schreibt die Autorin im Nachwort (S. 581). Beides gelingt ihr in diesem Roman. Der Schreibstil ist dermaßen „unterhaltsam“, daß ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Der „wissenswerte Teil“ besteht darin, daß zwar Moekaé und die Bronsons fiktive Figuren sind, an denen jedoch exemplarisch die Geschehnisse jener Zeit dargestellt werden. Denn der Überfall auf das Camp der Cheyenne, der Ausbruch aus Fort Robinson, die Verhältnisse in der Reservation und schließlich die Behandlung der Indianer durch die Armee - das ist historisch verbürgt und in den Geschichtsbüchern nachzulesen.

Am Beispiel der Protagonisten erzählt Kerstin Groeper die Geschichte der Cheyenne, vom Untergang des freien Lebens und der erzwungenen Anpassung an den Lebensstil des „weißen Mannes“, die alles andere als leicht war. Denn, so möchte man sagen, Cheyenne und Weiße lebten in völlig verschiedenen Welten. Der „weiße Mann“ brach in die Lebenswelt der Cheyenne ein und walzte rücksichtslos alles nieder, was ihm in den Weg kam. Die Cheyenne konnten untergehen - oder sich anpassen und versuchen zu überleben. Genau das, nämlich Überleben, will Moekaé, die von den Weißen dann Monika genannt wird. Als sie verwundet und am Ende ihrer Kräfte, dem Tod näher als dem Leben, von den Bronsons aufgenommen wird, prallen zwei Welten aufeinander, was noch durch die fehlende Verständigungsmöglichkeit verschärft wird.

In der Folge erleben wir das Zusammenleben und das sich langsam Annähern aus beiden Sichtweisen: der von Moekaé und auch aus der der aufnehmenden Familie Bronson. Eine besonders interessante Figur ist dabei der Vater Theodor, der zunächst mit allen üblichen Vorurteilen und Vorbehalten Indianern gegenüber behaftet und ein ewiger Griesgram ist, was beim Lesen für manchen Lacher gut ist. Seine Entwicklung im Buch ist wohl die deutlichste und macht die ganze Problematik des Aufeinandertreffens der Kulturen besonders anschaulich.

Allerdings, es war zu befürchten, geht all das nicht ohne Probleme und Mißverständnisse vonstatten, und mehr als ein Mal habe ich die Luft angehalten, ob sich manche schwierige Situation denn noch gut auflösen würde. So wurde es auch in diesem zweiten Teil, obwohl der überwiegend dem harten Leben auf einer neu gegründeten Farm gewidmet war, nie langweilig. Längen konnte ich keine feststellen, handlungsbezogene und beschreibende Abschnitte sind gut ausgewogen und lassen das Kopfkino lebhaft anspringen. Sehr angenehm ist mir auch das langsame Ausklingen des Buches aufgefallen.

Wenn dann die rund fünfhundertachtzig Seiten viel zu schnell gelesen sind, heißt es Abschied nehmen von Figuren, von denen ich kaum glauben kann, daß sie „nur“ fiktiv sind, so intensiv habe ich sie auf ihrem meist schweren Weg begleitet. Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Welt verändert, nichts ist mehr wie es war, und wir können nur hoffen, daß den Überlebenden ein gutes Leben vergönnt ist.

Das Buch wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.


Mein Fazit

Der schwere und leidvolle Weg der Cheyenne vom freien Leben in der Prärie in die Welt des weißen Mannes. Ein lesenswertes Buch, das den Cheyenne ein würdiges Denkmal setzt.

 

 

Über die Autorin

Kerstin Groeper wurde in Berlin geboren und lebte einige Zeit in Kanada; sie spricht Lakota. Über Indianer schreibt sie Artikel für verschiedene Zeitschriften sowie Bücher. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in der Nähe von München.

Bibliographische Angaben

582 Seiten, Klappenbroschur
Verlag: Traumfänger Verlag, Hohentann 2015. ISBN 978-3-941485-48-8