Und was hatte das Leben aus ihr gemacht? (Seite 250)

 

Cover: Dunkle Wälder, ferne SehnsuchtZum Inhalt

Rund vierzehn Jahre sind vergangen, seit die Weber-Schwestern zusammen mit vielen anderen aus ihrer hessischen Heimat nach Rußland an die Wolga ausgewandert sind. Während Christina inzwischen in St. Petersburg ein Modegeschäft führt, lebt Eleonora in Saratow und vermißt ihre Tochter Sophia, die in St. Petersburg Kunst studiert. Nur Klara ist mir ihrer Familie noch in der Kolonie Waidbach. Dort sind die ersten harten Jahre zwar überstanden, aber das Leben wird nicht unbedingt leichter, denn Kirgisenüberfälle sind eine ständige Bedrohung. Und mit neuen Einwanderern tauchen dunkle, längst vergessen geglaubte, Schatten aus der Vergangenheit auf.  

 

 

Kommentar / Meine Meinung

Das Buch beginnt zur gleichen Zeit, da „Weiße Nächte, weites Land“ endet. Das hatte ich direkt zuvor gelesen, jedoch läßt sich dieser Roman auch ohne die Kenntnis des Vorgängerbandes verstehen, da er eigenständig ist und frühere Entwicklungen, soweit sie zum Verständnis notwendig sind, erwähnt werden. Aber natürlich hat man mehr von der Geschichte, wenn man die bisherigen Geschehnisse präsent hat und die Hintergründe kennt.

Wie schon in den „Weißen Nächten“, hielt sich auch bei diesem Buch das „Rußlandgefühl“ bei mir in Grenzen, was insofern kein Wunder ist, als daß kaum Russen vorkommen. Die Aussiedler bleiben doch weitgehend unter sich und verhalten sich recht „deutsch“, die wenigen Russen im Buch können das nicht ausgleichen. Genau dieses scheint mir in Rußland ganz anders gewesen zu sein als bei den Auswanderern nach Amerika. Während letztere Amerikaner wurden, blieben die Wolgadeutschen genau das: Deutsche und damit bis zu einem gewissen Grade fremd in der neuen Heimat.

Die Geschichte wird sehr handlungsorientiert erzählt, was im Umkehrschluß heißt, daß das Drumherum weniger Beachtung findet. Dadurch ergibt sich zwar kein rasendes, aber doch zügiges Tempo, was auch in der gegenüber dem ersten Band deutlich geringeren Seitenzahl zum Ausdruck kommt. Das fand ich insofern etwas schade, als die Handlung den Stoff für einen dicken Wälzer abgegeben hätte.

Das klingt jetzt vielleicht negativer, als es gemeint ist; meine Kritikpunkte sind nun auch erschöpft. Da ich „Weiße Nächte, weites Land“ direkt zuvor gelesen hatte, kam ich sehr schnell ins Buch hinein; die Erwähnungen und Wiederholungen daraus haben mich nicht gestört. Praktisch sind die Jahresangaben in den Kaitelüberschriften. So war immer deutlich, wenn wieder ein Zeitsprung anstand und ich konnte mich sehr gut im Zeitstrang orientieren.

Von den schon bekannten Figuren hatte ich noch eine Vorstellung im Kopf, die neu Hinzukommenden fügten sich nahtlos in den „Personalstamm“ ein. Dabei taucht ein „alter Bekannter“ auf, der bisher eher gesichtslos war und Klara in ziemliche Aufregung und Angst versetzt. Auffälig fand ich teilweise die Parallelen zu den Auswanderern der damaligen Zeit, die den Weg nach Amerika wählten. Hatte man es dort mit den Indianern zu tun, so sind es hier Nomadenstämme wie die Kirgisen, die ganz ähnliche Probleme für die Siedler schaffen.

Das Hauptaugenmerk liegt auf den Geschicken der drei Weber-Schwestern und ihrer Familien in Waidbach, Saratow und St. Petersburg. Deren Entwicklung war glaubhaft und nachvollziehbar, nur über Klara habe ich so manches mal den Kopf geschüttelt. Bei dem, was sie früher durchgemacht hat, ist Manches einerseits sicherlich verständlich, andererseits hatte ich teilweise das Gefühl, daß sie sich eher rück- denn vorwärts entwickelt. Nach all den Erfahrungen, die sie bis zum Ende des Buches machen mußte, wäre es in der Tat interessant zu lesen, wie es mit ihr in den folgenden Jahren weiter geht.

Womit angesprochen ist, daß eine Fortsetzung denkbar ist. Zwar ist die Haupthandlung abgeschlossen, doch, wie das bei Familien so ist, bleiben genügend Dinge ungeklärt, deren Fortgang erst die Zukunft zeigen wird. Das Buch hat mir gut gefallen, die Figuren haben einen deutlichen Eindruck bei mir hinterlassen, ich würde wirklich gerne wissen, wie es ihnen weiter ergeht und hoffe daher, bald wieder zu ihnen zurückkehren zu können. Oder anders: bitte mehr davon!

 

Kurzfassung

Nach den ersten harten Jahren gilt es für die Wolgadeutschen, des Erreichte zu sichern und den eigenen Weg zu finden.  

 

Über die Autorin

Martina Sahler hat nach dem Studium als Lektorin gearbeitet; seit 1990 ist die freischaffende Schriftstellerin. Sie hat viele Bücher veröffentlicht, die in etliche Sprachen übersetzt wurden. Mit ihrer Familie leben sie im Bergischen Land.  

Bibliographische Angaben

318 Seiten, 1 Landkarte, gebunden mit Schutzumschlag.
Verlag: Weltbild Verlag, Augsburg 2014  

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