Junger Mann! Falls dir meine Aufzeichnungen in die Hände geraten, merke dir, daß die besten und beständigsten Veränderungen jene sind, die sich aus der Verbesserung der Sitten ergeben und keine gewaltsamen Erschütterungen mit sich führen. (Seite 355)
Zum Inhalt
Der Ich-Erzähler Pjotr Andrejewitsch Grinjow überlebt als einziges von neun Kindern seiner Eltern, die ein Landgut besitzen. Im Alter von 17 Jahren wird er vom Vater zum Militär geschickt. An seinem Stationierungsorg angekommen, verliebt er sich in die Tochter des Hauptmanns. Aber da beginnt der Pugatschow-Aufstand, und die bisher so friedliche Welt taumelt in einen mörderischen Krieg, in dem man bald nicht mehr weiß, wer Freund oder Feind ist.
Kommentar / Meine Meinung
Nachdem dieser Roman in meinem letzten gelesenen Buch „Der letzte Tanz. Der Untergang der russischen Aristokratie" erwähnt wurde, war es höchste Zeit, ihn endlich auch selbst zu lesen. Das Wort „endlich“ deutet an, daß das in der Tat kein Fehler gewesen, sondern längst überfällig gewesen ist. Puschkin ist einfach immer wieder lesenswert.
Schon in den ersten Sätzen ist es ihm gelungen, mich ganz in seine Geschichte hineinzuziehen. Und auch, wenn dieser Roman in meiner Ausgabe nur ganze 134 Seiten umfaßt, hatte ich am Ende das Gefühl, einen „dicken Schinken“ gelesen zu haben. Puschin gelingt es, wovon manch anderer Autor vielleicht nur träumen kann: mit wenigen Sätzen eine ganze Welt erstehen zu lassen und wen einer überschaubaren Seitenzahl eine Geschichte zu erzählen, für die andere viele hundert Seiten mehr benötigen würden.
Wobei ich durchaus nichts dagegen hätte, wenn das Buch deutlich länger gewesen wäre. Aber zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, als ob etwas zu kurz erzählt worden sei, etwas fehle oder gar - wie das heute oft der Fall ist - am Schluß schnell mit wenigen Zeilen die Handlung zu Ende gebracht wird. Das Buch ist von Anfang bi Ende eine „runde Sache“. Puschkin hat in diesem Roman im Pugatschow-Aufstand angesiedelt. Bei seinen Studien zum Thema stieß er auf einen Adeligen namens Schwanwitsch, der nach dem Aufstand relativ milde verurteilt wurde. Dies regte ihn an, das im Roman zu verwenden. Allerdings spaltete er Schwanwitsch in zwei Figuren auf: Grinjow und seinen Gegner Schwabrin, vereinfacht einen guten und einen bösen. Dabei hat er eine Familiengeschichte gekonnt mit der historischen Handlung verbunden; inwieweit, wie das manchmal behauptet wird, Puschkin mit Pugatschow sympathisierte, mag ich nicht beurteilen. Jedenfalls wird er dem Leser hier in manchen Szenen sogar sympathisch.
In der Endfassung fehlte ein Kapitel, das ist nur im Entwurf enthalten. Ich habe das an der entsprechenden Stelle eingeschoben und mitgelesen. Es ist zum Verständnis zwar nicht unbedingt notwendig, erklärt jedoch einiges und insofern war ich dankbar, daß das Kapitel in meiner Ausgabe enthalten war.
Personen wie Orte erwachten für mich zum Leben, das vielzitierte Kopfkino sprang sehr rasch an, so daß ich am Ende das Gefühl hatte, mitten bei den Geschehnissen dabei gewesen zu sein. Am Ende bin ich dann tatsächlich noch auf eine falsche Fährte Puschkins hereingefallen und konnte eine Überraschung erleben.
Aber was ich damit meine bzw. worauf ich anspiele, werde ich hier natürlich nicht verraten. Das sollte man schon selbst lesen.
Kurzfassung
Familiengeschichte eingebettet in einen historischen Roman - gekonnt und lesenwert entführt Puschkin in die Zeit des Pugatschow-Aufstandes.
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Über den Autor
Puschkin wurde am 26. Mai 1799 in Moskau geboren. Er ging sedchs Jahre ins Lyzeum Zarskoje Selo. Noch in seiner Zeit als Schüler begann er zu schreiben. 1820 entging er der Verbannung nach Sibirien durch die Protektion einflußreicher Freunde. 1824 wurde er auf das elterliche Gut Michailowskoje verbannt. Nach einer Audienz beim Zaren durfte er wieder in Moskau leben, jedoch unterlagen seine Werke der Zensur des Zaren.
Im Jahre 1831 heiratete er Natalja Gontscharowa und zog mit ihr nach St. Petersburg. Dort starb er am 18. Februar 1837 an den Folgen einer bei einem Duell erlittenen Schußverletzung.
Er gilt als der russische Nationaldichter.
Bibliographische Angaben meines gelesenen Exemlares
Gesammelte Werke in sechs Bänden - Alexander Sergejewitsch Puschkin, Band 4. Diese Geschichte:
134 Seiten, Abbildungen, Buch gebunden mit Schutzumschlag. Aus dem Russischen von Lieselotte Remané
Verlag: Aufbau Verlag Berlin/Weimar, 6. Auflage 1984