‚Denn er ekelt mich an, dieser falsche Glanz des Kaiserhofs‘, wurde ihr mit aller Deutlichkeit klar. (Seite 334)

 

Cover: Das Kaffeehaus - Falscher GlanzZum Inhalt

Kurz nach den Ereignissen des Vorgängerbandes muß Sophie von Werdenfels ihren Dienst als Hofdame Kaiserin Sisis in der Wiener Hofburg antreten. Was nach außen wie „Glanz und Gloria“ aussieht, entpuppt sich hinter den Kulissen jedoch als alles andere. Neid, Eifersucht, Intrigen sind an der Tagesordnung; ein strenges Protokoll, das nach außen den Schein wahrt, bestimmt den Tagesablauf. Nur selten noch kann Sophie das Kaffeehaus ihres Onkels besuchen.
Die Ereignisse beginnen sich zuzuspitzen, als bestimmte Kreise Sophie zwangsverheiraten wollen.

 

 

 

 

 

Meine Meinung

Es ist zwar rund drei Monate her, daß ich den Vorgängerband gelesen habe, doch der ist - nicht zuletzt auch wegen des überaus guten Erzählstils der Autorin - noch sehr präsent, so daß ich gleich daran anknüpfen konnte. Was auch insoweit gut ist, als daß die Ereignisse dieser Geschichte zehn Tage nach denen des ersten Bandes einsetzen. War in „Bewegte Jahre“ der Fokus auf dem Kronprinzen Rudolf und seinem Suizid, so liegt er hier auf dem Geschehen hinter den Palastmauern, die - wie man mehr und mehr beim Lesen merkt - in der Tat nur einen „falschen Glanz“ ausstrahlen.

Die Handlungsstränge (soweit sie nicht abgeschlossen waren) des ersten Bandes der Trilogie werden bruchlos weiter geführt, weshalb man diesen auf jeden Fall zuvor gelesen haben sollte. Allerdings hat dieser Band den Nachteil, der Mittelband einer Trilogie zu sein. Fortführung des Eröffnungs- und Vorbereitung des Abschlußbandes, etwas überspitzt formuliert: alles ist offen und nichts ist geklärt. Zwar ist das Hauptthema des Buches abgeschlossen, mit dem Paukenschlag des letzten Satzes der Übergang zum Schlußteil gelegt - und dennoch hatte ich das Gefühl, ein unvollendetes Buch gelesen zu haben und war am Ende in mancher Hinsicht daher etwas unzufrieden.

Ich fühlte mich an die alte Star Wars Trilogie erinnert, Teil 2 (heute Teil 5): „The Empire Strikes Back / Das Imperium schlägt zurück.“ Der erste Film („A New Hope / Eine neue Hoffnung“) hatte mit dem strahlenden Schlußmarsch geendet, doch jetzt sah es düster aus für die Rebellen, viel Hoffnung gab es nicht (auch wenn man natürlich wußte daß es welche gab, ein Teil stand ja noch aus) - man blickte ins Weltall - und unvollendet, aber irgendwie doch hoffnungsvoll, war der Film zu Ende. Mit mehr Hoffnung, als ich sie hier empfinden kann. Woran das genau liegt, vermag ich nicht zu sagen. Es erinnerte mich nur wieder daran, weshalb ich Trilogien, die eine durchgehende Geschichte erzählen, normalerweise erst lese, wenn alle Bände erschienen sind.

Davon abgesehen, hat mir das Buch gut gefallen, wenngleich ich eigentlich kein Freund von solchen Intrigen, wie sie hier gesponnen werden, bin. Allerdings hat die Autorin die Handlung so durchdacht und mit solchem Hintergrundwissen entwickelt, daß ich fürchte, daß sie der Wahrheit, wie es hinter Palastmauern zuging (und heute noch zu geht?) ziemlich nahe gekommen ist. Die Autorin war wohl „gezwungen“, solche Intrigen einzubauen - da die in realiter vermutlich auch genau so gewesen wären, hätten die fiktiven Figuren tatsächlich gelebt. Insofern hat die Autorin wieder sehr gute Arbeit geleistet.

Zu den bereits bekannten Figuren haben sich naturgemäß einige neue hinzugesellt. Auch wenn nicht alle sympathisch waren, so haben sie doch stets in sich schlüssig (und aus deren Sicht nachvollziehbar) gehandelt, auch wenn mir das nicht immer gefiel. Die Hauptfiguren haben sich weiter entwickelt, wenngleich ich bei Sophie immer wieder daran denken mußte, wie jung sie eigentlich ist. Denn manches mal erschien sie mir doch recht naiv, was im Hinblick auf ihr Alter wieder verständlich wird. Immerhin ist sie am Ende des Bandes so weit gereift, daß sie ihr künftiges Schicksal wohl in die eigene Hand wird nehmen können. Auch Richard macht Fortschritte, aber der Gegensatz zwischen beruflichem und privaten Wesen scheint mir doch immer noch recht groß zu sein. Will sagen, so gut er beruflich zurecht kommt, fehlt ihm im privaten Bereich noch Selbstbewußtsein und ein gewisses Durchsetzungsvermögen, selbst da, wo der meiner Meinung nach gewisse Druckmittel hat. Aber als „Außenstehender“ kann man das leicht schreiben, in seiner Haut sieht das vermutlich ganz anders aus.

Sophies Stiefvater Arthur bleibt sich das ganze Buch über treu; die Szenen, in denen er den Kürzeren zieht, gehören mit zu den besten im Roman. Auch wenn Schadenfreude vielleicht nicht die beste Freude ist - seine Niederlagen seien ihm von Herzen gegönnt.

Die Kaiserin Elisabeth (Sisi) hingegen wurde mir von Seite zu Seite unsympathischer, aber eigentlich trifft das auf den ganzen Habsburger Hof zu. Was für eine Bigotterie - in der Tat ein falscher Glanz, der da verbreitet wird. Auf der einen Seite sich nach außen wer weiß wie religiös und christlich geben, auf der anderen sich nicht daran halten und das Gegenteil tun. Mich wundert mehr und mehr, wie lange dieser „falsche Glanz“ Bestand hatte.

Am Ende trifft das „alles ist offen und nichts ist geklärt“ zwar nicht in dieser Absolutheit zu, denn manches ist in der Tat auserzählt, doch das betrifft eher Nebenstränge. Die Hauptlinie ist, wie bei einem Mittelband zu eigentlich erwarten, allerdings in einer Weise offen, daß ich keine Ahnung habe, wie die Autorin das im dritten Band auflösen bzw. zusammenführen will.

Dennoch kann ich auch diese Rezension wie die zum ersten Band beschließen: die Autorin hat einen historischen Roman vorgelegt, wie ich ihn mir vorstelle: eine fesselnde Geschichte, die in die historischen Fakten so eingewoben ist, daß man die Trennlinie zwischen Fakt und Fiktion kaum erkennen kann. Neben einer spannenden Romanhandlung erhält man also zusätzlich noch lebendigen Geschichtsunterricht. Prima. Ich kann kaum den dritten Band erwarten, in dem dann (hoffentlich) alle offenen Fragen geklärt werden.

Mein Fazit

Auch dieser Band überzeugt durch gekonnte Mischung von Fakt und Fiktion. Die Geschichte um Sophie und Richard wird konsequent fortgeführt, der Kaiserhof und das Wien der Jahre um 1890 erwachen zum Leben und entfalten ihren „falschen Glanz“. Lesenswert.

 

Über die Autorin

Marie Lacrosse ist ein Pseudonym von Marita Spang; sie hat Psychologie studiert und war lange Jahre als freie Unternehmensberaterin tätig. 2014 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, seit Anfang 2020 ist sie überwiegend als freie Autorin tätig.

Bibliographische Angaben

727 Seiten, 3 Landkarten, KLappenbroschur
Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag, München 2021; ISBN 978-3-442-20598-1

 

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