„Wenn das kein unglaublicher Zufall war, dann eben ein Fingerzeig des Himmels, Phiefi. (...) Doch Fortuna ist unbeständig in ihrer Gunst. Wir werden unserem Glück daher auf die Sprünge helfen müssen.“ (Seite 563)
Zum Inhalt
Die Handlung setzt etwa eine Woche nach den Ereignissen des Vorgängerbandes ein. Nach dem Tod ihres Onkels erbt Sophie das Café sowie das Kaffeehaus, allerdings muß sie sich die Geschäftsleitung mit dem bisherigen Geschäftsleiter Toni Schleiderer teilen. Da der sich selbst Hoffnung auf das Erbe gemacht hat, ist dies für beide eine unangenehme Situation, die zu mancherlei Problemen führt.
Richard ist in der Ehe mit Amalie gefangen, es scheint keine Hoffnung zu geben, daß er da herauskommen könnte. Doch langsam beginnen sich die Verhältnisse zu ändern und es wird immer ungewisser, ob es auf eine Katastrophe oder einen Glücksfall zusteuert.
Meine Meinung
„Ich kann kaum den dritten Band erwarten, in dem dann (hoffentlich) alle offenen Fragen geklärt werden.“ Mit diesem Satz habe ich meine Rezension zum Vorgängerband beschlossen. Nun, da ich den dritten Teil gelesen und das Buch mehr oder weniger zufrieden geschlossen habe, weiß ich nicht so recht, was ich dazu schreiben soll. Die Trilogie bildet dermaßen stark eine Einheit, daß ich das Gefühl habe, bereits alles über die erzählte Geschichte geschrieben zu haben und mich an dieser Stelle eigentlich nur wiederholen kann.
Aus dem „mehr oder weniger“ mag man schließen, daß ich ein paar Kritikpunkte habe. Um es gleich vorweg zu erwähnen: die bedeuten nicht, daß mir das Buch nicht gefallen hätte - das Gegenteil ist der Fall, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag.
Die drei Kaffeehaus-Bände sind für mich, wie erwähnt, eine Einheit; zwischen den Teilen liegen jeweils nur wenige Tage, die Handlung wird durchgehend erzählt. An anderer Stelle hat die Autorin geschrieben, daß sie ein möglichst umfassendes Bild des ausgehenden Habsburgerreiches beschreiben wollte. Dies ist ihr zweifellos sehr gut gelungen; daraus ergibt sich jedoch eine auf relativ wenige Figuren konzentrierte Detailfülle. Mich beschlich mehr und mehr das Gefühl, um es so auszudrücken, daß es eine Art Liste mit allen damals möglichen Widrigkeiten und Problemen gab, die dann der Reihe nach „abgearbeitet“ wurde und mich unwillkürlich „das nicht auch noch“ denken ließ. Das war mir persönlich zu viel des Guten. Weil alles die selben Figuren einer Familie betraf. Wären die Dinge auf zwei oder mehr Familien verteilt gewesen, so daß nicht eine alles hätte erleben (erleiden/erdulden) müssen, sähe es für mich möglicherweise (bzw. vermutlich) anders aus.
Mir fällt da immer wieder die „Savage Destiny“ Reihe von Rosanne Bittner, die 1845 beginnt und etwa 1902 mit dem Tod der zweiten Hauptfigur endet, ein. Es ist mehr als heftig, was die Figuren erleiden müssen, was an Schicksalsschlägen über sie hereinbricht. Aber es ist zum Einen (das ergibt sich aus der Natur der Sache, der Untergang des sogenannten „Wilden Westens“ zog sich nunmal länger hin als der des Habsburgerreiches) ein deutlich längerer Zeitraum, zum Anderen jedoch tauchen im Verlauf der sieben Bände immer wieder neue Figuren auf, so daß sich die Schicksalsschläge auf mehr Schultern verteilen. Das macht es für mich als Leser leichter, wenngleich zugegeben sei, daß zu einer bestimmten Zeit das Schicksal keine Rücksicht darauf nimmt, wie viel ein Mensch erleben bzw. erleiden muß. Insofern kann ich die Intention der Autorin nachvollziehen. Man wird nicht gefragt, ob es einem zu viel ist oder nicht.
Da für mich die Trilogie ein Roman, aufgeteilt auf drei Bände, ist, bleibt mir am Ende nun eigentlich nur, mein früheres Urteil, das sich in der Gesamtheit nicht verändert hat, hier anzuführen: die Autorin hat einen historischen Roman vorgelegt, wie ich ihn mir vorstelle: eine fesselnde Geschichte, die in die historischen Fakten so eingewoben ist, daß man die Trennlinie zwischen Fakt und Fiktion kaum erkennen kann. Neben einer spannenden Romanhandlung erhält man also zusätzlich noch lebendigen Geschichtsunterricht.
Insgesamt gesehen hat mir die Geschichte um Richard und Sophie sehr gut gefallen; selten habe ich einen Roman gelesen, der historisch dermaßen hervorragend war. Daran gibt es nichts zu Rütteln.
Mein Fazit
Auch wenn er mir am Ende etwas zu überfrachtet war, ist dieser Roman - wie die ganze Trilogie - einer der absolut besten historischen Romane, die ich je gelesen habe. Selten wurde eine vergangene Epoche dermaßen gut zum Leben erweckt wie in den „Kaffeehaus-Büchern“. Bitte mehr davon.
Über die Autorin
Marie Lacrosse ist ein Pseudonym von Marita Spang; sie hat Psychologie studiert und war lange Jahre als freie Unternehmensberaterin tätig. 2014 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, seit Anfang 2020 ist sie überwiegend als freie Autorin tätig.
Bibliographische Angaben
747 Seiten, 3 Karten, Klappenbroschur
Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag, München 2021; ISBN 978-3-442-20619-3