„Dann bedeutet Ihr Wort also nichts?“
Der amerikanische Agent lachte.
„Natürlich bedeutet es nichts, ich bin ein Spion.“ (Seite 134)
Zum Inhalt
Als die Ereignisse dieses Buches beginnen, ist der 2. Weltkrieg etwa seit einem Jahr zu Ende. Aber anstelle des heißen Krieges ziehen am Horizont die Wolken des beginnenden Kalten Krieges auf. Alex ist hinter dem Eisernen Vorhang gefangen. Im verzweifelten Versuch, eine Ausreisemöglichkeit zu finden, läßt er sich auf eine Agententätigkeit für die Amerikaner ein; jedoch wird er verraten. Ein letztes Mal versucht Cameron, in die UdSSR zu reisen, dieses Mal begleitet von ihren beiden Schwestern, um Alex irgendwie herauszuholen. Jetzt geht es um Alles oder Nichts.
Kommentar / Meine Meinung
„Und nur die Hoffnung läßt überleben“, so habe ich meine Rezi zum dritten Band der Tetralogie beendet. Über weite Strecken des abschließenden Buches bleibt den Figuren auch nicht viel mehr als Hoffnung - und irgendwann nicht mal mehr diese.
Ich habe eine Weile mit diesem Buch gezögert, weil ich wußte, daß das bis zu einem gewissen Grade ein Agentenroman wird - und dies sind nun nicht unbedingt mein Fall. Andererseits wollte ich unbedingt wissen, wie alles ausgeht - und habe das Buch nun innerhalb weniger Tage quasi verschlungen. Obwohl es etliche Wochen her ist, seit ich das Vorgängerbuch gelesen habe, hatte mich die Geschichte sehr schnell wieder gefangen. Zwar sind mir nicht mehr alle Details präsent, aber noch erstaunlich viel aus den drei vorherigen Romanen ist im Gedächtnis geblieben. Judith Pella hat starke Figuren geschaffen, die mir vermutlich noch sehr lange präsent bleiben werden.
Auch hier hat mich gewundert, wie offen die Autorin für die Amerikaner unerfreuliche Dinge wie die Behandlung der US-Staatsbürger mit japanischen Wurzeln während des 2. Weltkrieges und danach angesprochen hat, oder den latenten Antisemitismus in den USA, der bis hin zur offenen Diskriminierung ging. Aber auch die traumatischen Folgen für die Überlebenden spielen immer wieder eine Rolle. Von Vergebung reden ist eine Sache - eine ganz andere jedoch, wenn es an die Praxis geht. So ist das Verhältnis von Blair zu Jacqueline über weite Teile des Buches mehr als gespannt, denn sie ist noch immer nicht über die von den Japanern erlittenen Qualen hinweg.
„In Russland soll sich ihr Schicksal erfüllen“, so heißt es auf dem Buchrücken. Über weite Strecken spielt die Handlung auch eben dort, und es ist nicht nur das Schicksal der Hayes-Schwestern, das sich dort erfüllen wird. Judith Pella ist es gut gelungen, die Stimmung in der Sowjetunion jener Tage einzufangen. Etwa die Vorsicht, weil immer und überall ein Aufpasser vom MWD gegenwärtig war, den man bei bestimmten Gelgegenheiten erst mal abschütteln mußte. Oder der Zwang, daß man vertrauliche Gespräche stets im Freien führen mußte - denn die Gebäude waren verwanzt. Bis hin zur amerikanischen Botschaft.
Das ganze Buch hindurch empfand ich eine Art gespannter Melancholie. Gespannt, weil es streckenweise überhaupt nicht gut für die Haupt- und manche Nebenfiguren aussah; und Melancholie ist in Russland irgendwie allgegenwärtig. Allerdings merkte man dem Buch an, daß die Autorin eine Amerikanerin ist. Die richtige „russische Schwermut“ stellt sich doch nicht so ganz ein. Aber vielleicht liegt das zu einem Teil auch an der Übersetzung, die ich hier nicht so ganz rund empfand.
Figuren wie Schauplätze konnte ich mir gut vorstellen, das Kopfkino sprang recht schnell an. Die aus den drei vorherigen Romanen offenen Enden werden hier aufgegriffen und alle zu einem Ende geführt, so daß schließlich von allen klar ist, was aus ihnen bisher geworden ist. Und sei es, daß sie, auf welche Weise auch immer, verstorben sind.
Eine wesentliche Thematik, die in dem Buch immer wieder auftaucht, ist Schuld, Sühne, Vergebung. Und gerade Letztere ist, wie angedeutet, oft nicht einfach, und gelingt nicht immer. Etwas, was heute so aktuell ist wie damals.
Als ich den letzten Satz gelesen hatte, fühlte ich mich wie von einer langen, aufregenden Reise zurückgekehrt. Voller Eindrücke, überwältigt von den Erinnerungen - gleichzeitig ausgepumpt und leer, weil nun alles endgültig vorbei ist. Dieses „Zurückkommen“ ging mir auch etwas zu schnell. Zwar hat sich das Erzähltempo gegen Ende hin nicht unbedingt verändert, aber - um einen Vergleich zu gebrauchen - waren die Bücher bisher wie ein prächtiges Ölgemälde, so war es gegen Ende mehr eine kolorierte Zeichnung. Alles Wesentliche war da, aber nicht mehr so ausführlich wie bisher gewohnt. Das fand ich etwas schade, denn wenn man die Figuren über so einen langen Zeitraum (zeitlich der Handlung wie auch seitenmäßig gesehen) begleitet hat, wäre ihnen wie auch dem Leser ein langsameres und deutlicheres Ausklingen zu wünschen gewesen.
„Es wird lang und hart werden“, sagte er, als hätte er ihre Vision ebenfalls gesehen. (Geschrieben im Wind, Seite 227). Es wurde lang, und es wurde hart. Wenn die Sturmzeiten-Saga dann nach knapp zweitausendzweihundert Seiten an ihr Ende kommt, heißt es endgültig Abschied nehmen. Spätestens jetzt - auch wenn die Schlußszene in L.A. angesiedelt ist - kam sie denn doch, die russische Schwermut; vielleicht ist es aber doch eher eine gewisse Wehmut, sich von Figuren, die man durch mehr Leid denn Freud begleitet hat, ein für allemal verabschieden zu müssen. So lasse ich sie denn ziehen auf ihrem weiteren Lebensweg, von dem ich nichts mehr erfahren werde. Mögen sie lange und glücklich leben. Es ist lang und hart erkämpft.
Kurzfassung
Im heißen Krieg begonnen, geht die Sturmzeiten-Saga im Kalten Krieg zu Ende. Noch einmal müssen die Hayes-Schwestern viel, vielleicht zu viel, riskieren, um auf den physischen wie psychischen Trümmern der vergangenen Jahre die Grundlagen für das künftige Leben zu legen.
Über die Autorin
Judith Pella war als Krankenschwester und Grundschullehrerin tätig, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreiben widmete. Sie lebt heute mit ihrem Mann in Oregon.
Bibliographische Angaben
492 Seiten, kartoniert. Originaltitel: Homeward My Heart. Aus dem Amerikanischen von Silvia Lutz. Verlag: Verlag der Francke Buchhandlung GmbH, Marburg 2007
Reihe "Sturmzeiten"
1) Pella, Judith: Geschrieben im Wind (Sturmzeiten 1)
2) Pella, Judith: Von ferne klingt ein Lied (Sturmzeiten 2)
3) Pella, Judith: Bevor der Morgen dämmert (Sturmzeiten 3)
4) Heimat meines Herzens