Aber in seinem Herzen wusste er, dass Gott sie nicht im Stich ließ. Er hatte Verheißungen gegeben, auch wenn für Gary im Moment diese Verheißungen sehr verschwommen waren. Er versuchte, sich Verse in Erinnerung zu rufen, die er als Kind auswendig gelernt hatte. Er kam nicht weiter als: Jesus weinte. (Seite 525)
Zum Inhalt
Cameron ist in die UdSSR zurückgekehrt. Ihre Arbeit wird durch die sowjetische Zensur nicht unbedingt erleichtert, und ihre Beziehung zu Alex gerät in eine Krise. Aber hat eine solche Beziehung überhaupt eine Chance?
Währenddessen sucht Blair auf den Philippinen nach ihrem Ehemann Gary, der dort beim Militär ist. Als die Japaner Pearl Harbour überfallen, ist es mit der Sicherheit vorbei und es bleibt nur die Flucht in den Dschungel. Aber wie soll sie so ihre Ehe retten?
Jackies Beziehung zu Sam vertieft sich. Aber da tauchen Gerüchte auf, daß die USA alle Bürger mit japanischen Wurzeln in Lager internieren wollen.
Die Welt, wie die drei Schwestern sie kannten, bricht unter dem Bombenhagel des 2. Weltkrieges zusammen.
Vorbemerkung
Kurzinhalt wie „Meine Meinung“ verraten zwangsläufig möglicherweise Inhalte des Vorgängerbandes.
Kommentar / Meine Meinung
„Durch Nacht zum Licht“, so wird Beethovens 5. Sinfonie auch beschrieben. „Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht.“, so hatte Beethoven einige Jahre vor der 5. geschrieben. Aber was ist, wenn das Schicksal keinen Rachen auftut, in den man hineingreifen kann, wenn es zuschlägt, ohne daß man die Möglichkeit hat, ihm etwas entgegenhalten zu können? So etwa kam mir die Situation der Hayes-Schwestern über weite Strecken des Buches vor. Verstreut über drei Kontinente an den Brennpunkten des Kriegsgeschehens 1941/1942, muß jede von ihnen sehen, wie sie lebt. Überlebt.
Damit klingt an, daß es auch in diesem Buch drei Haupterzählstränge gibt: Cameron ist zurück in der UdSSR, Blair auf den Philippinen und Jackie droht zuhause in Los Angeles durch ihre Beziehung zu einem Japaner zwischen die Fronten zu geraten.
Neben dem eigentlichen Handlungsbogen, der eingebettet ist in die Ereignisse des 2. Weltkriegs, geht es auch um die innere Entwicklung der drei Schwestern, um ihr Ringen um den Glauben bzw. den Weg, überhaupt erst mal dorthin zu kommen. Jackie ist von Kindheit an her gläubig und muß sich fragen, wie sich die Ereignisse damit in Einklang bringen lassen. Blair kämpft nicht nur mit den Tücken des Dschungels, sondern auch mit ihren eigenen Ängsten und Zweifeln, die sie sich immer wieder infrage stellen lassen. Cameron schließlich muß zusehends erleben, wie ihre um sie aufgerichteten Mauern mehr und mehr einstürzen. Sie will keinen Menschen brauchen, und Gott schon gar nicht - und muß doch immer wieder erleben, daß es alleine nicht geht.
Was dieses Buch, eigentlich wohl die ganze Serie, von anderen des Genres unterscheidet ist, daß selbst die Figuren, die überzeugte Christen sind (der Missionar oder seine Frau etwa) auch ihre Schattenseiten haben, nicht „durchgehend gut“ sind sondern selbst Fehler haben, die zuzugeben nicht immer leicht sind. Eine gewisse (glaubensmäßige) Entwicklung der Figuren ist zu erwarten, aber nicht oft fand ich eine solche dermaßen nachvollziehbar, langsam und glaubwürdig vor wie hier. Vor allem die rationale Cameron stellt immer wieder Fragen, wie sie vermutlich auch heute viele Menschen stellen, die sich mit Glaubensdingen beschäftigen. Dabei sind die religiösen Themen dermaßen „natürlich“ mit der Handlung verwoben, daß das alles eben so sein muß. Denn wer würde unter Dauerbeschuß nicht anfangen zu beten, und sei es unbewußt?
Vom Krieg in Fernost habe ich nur rudimentäre Kenntnisse. Allerdings, wie hier der Kriegsbeginn für die USA durch den Angriff der Japaner (Pearl Harbour, Angriff auf die Philippinen, Behandlung der Kriegsgefangen durch die Japaner) beschrieben wurde, kann ich - so unpassend dieser Ausdruck in dem Zusammenhang auch sein mag - bis zu einem gewissen Grade verstehen, daß am Ende die Amerikaner Atombomben auf Japan abgeworfen haben, um den Krieg zu einem Ende zu bringen. Ich entsinne mich, vor vielen Jahren in der WELT oder der FAZ (welche von beiden Zeitungen, weiß ich nicht mehr) einen Artikel über die Menschenversuche, die die Japaner an ihren Kriegsgefangenen vorgenommen haben, gelesen zu haben. Obwohl der Artikel recht nüchtern war, habe ich noch heute deutlich das Grauen, welches ich beim Lesen verspürte, gegenwärtig. Als die Japaner hier auftraten, fiel mir das wieder ein und ich verspüre eine gewisse Bange vor dem nächsten Band.
An etlichen Stellen im Buch hoffen die Figuren - und mit ihnen die Leser - auf ein Wunder. Nach all dem Schrecklichen, was hier über die Kriegsereignisse zu lesen ist, empfinde ich es inzwischen als ein Wunder, daß es nach dem Ende des 2. Weltkrieges eine Versöhnung zwischen den Völkern geben konnte.
Eine der eindrücklichsten Stellen im Buch war sicherlich zu Weihnachten auf den Philippinen. Vermutlich werde ich die Verbindung von „Tochter Zion“ mit dem Explodieren von Bomben und Granaten nie wieder aus dem Kopf bekommen.
Noch mehr als im ersten Buch hat mich überrascht, wie offen die Autorin den massiven Rassismus der Amerikaner thematisiert. Selbst der Vergleich mit den KZs der Nazis fiel schon, obwohl zu dem Zeitpunkt, da diese Äußerung (im Buch) fiel, die Figur von den Nazi-Gräueln noch nicht viel wissen konnte.
Ohne daß ich das an etwas Bestimmtem festmachen könnte, hatte ich bei jedem der Handlungsorte (L.A., UdSSR, Philippinen) auch das Gefühl, emotional dort zu sein. In Rußland herrschte eine andere „Stimmung“ als im Dschungel. Auch wenn der Blickwinkel immer wieder wechselt, gelingt es der Autorin, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und gegen Ende hin zu steigern. Wobei „Ende“ hier ein fast schon etwas unpassender Begriff ist, denn am Ende des Buches ist etwa die Hälfte der Saga vorbei. Wenn wir die Schauplätze verlassen, ist nichts entschieden, alles offen und die Situation nahezu hoffnungslos. Und auch, wenn die Figuren meinen, daß es vielleicht so viel schlimmer nicht mehr kommen könne, wissen wir Heutige doch: das Schlimmste steht ihnen noch bevor.
Für die Hayes-Schwestern und die mit ihnen Verbundenen gibt es keine Ruhepause, ich werde mir erst mal eine gönnen, bevor ich den dritten Band der Saga in Angriff nehme, um zu lesen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.
Kurzfassung
Die dramatische Fortsetzung zu „Geschrieben im Wind“ führt mitten ins Kriegsgeschehen auf den Philippinen, ohne die Ereignisse in den USA oder der UdSSR aus den Augen zu verlieren. Zeit zum Lesen einplanen, ich konnte das Buch kaum aus den Händen legen.
Über die Autorin
Judith Pella war als Krankenschwester und Grundschullehrerin tätig, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreiben widmete. Sie lebt heute mit ihrem Mann in Oregon.
Bibliographische Angaben
580 Seiten, kartoniert. Originaltitel: Somewhere A Song. Aus dem Amerikanischen von Silvia Lutz.
Verlag: Verlag der Francke Buchhandlung GmbH, Marburg 2005
Reihe „Sturmzeiten“
1) Pella, Judith: Geschrieben im Wind (Sturmzeiten 1)
2) Von Ferne klingt ein Lied
3) Pella, Judith: Bevor der Morgen dämmert (Sturmzeiten 3)
4) Pella, Judith: Heimat meines Herzens (Sturmzeiten 4)