Hier bewahrheitete sich Hansemanns Prophezeiung, daß Privatbahnen im Gegensatz zu Staatsbahnen nur nach der Maxime der eigenen Profitsteigerung handeln und dabei die Entwicklung bzw. Förderung des ganzen Landes zu kurz kommen würden. (Seite 96)

 

Cover: Preußische EisenbahngeschichteZum Inhalt

Die Geschichte der preußischen Eisenbahnen beginnt bereits vor Inbetriebnahme der ersten deutschen Eisenbahn 1835 zwischen Nürnberg und Fürth in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, wenn auch nur mit Pferdebahnen.
Eingebettet in die Geschichte Preußens gibt der Autor eine umfassende Darstellung der Entwicklung der Eisenbahn im Staatsgebiet des damaligen Preußen bis hin zum eher unrühmlichen Ende der K.P.E.V. und Aufgehen in der Deutschen Reichsbahn nach dem Ende des Ersten Weltkrieges.

 

 

 

 

Meine Meinung

Eigentlich sollte ich mich dafür ja gar nicht interessieren, bin ich doch im Gebiet der ehemaligen Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen geboren. Zumal die Dampflokomotiven der K.Bay.Sts.B. als die schönsten Deutschlands gelten. Aber dann bekam ich, das muß zwischen 1975 und 1978 gewesen sein, Albert Sauters Buch „Die Königlich Preußischen Staatseisenbahnen“ in die Hände. Seither schlägt mein Eisenbahnerherz in Preußen. Da inzwischen Pläne für Dioramen und Module, die zu Zeiten der K.P.E.V. (= Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung) angesiedelt sein sollen, konkreter werden, wurde es also höchste Zeit, sich wieder mit der preußischen Eisenbahngeschichte zu beschäftigen - dieses Mal jedoch etwas gründlicher.

Erst beim Lesen stellte sich heraus, wie gründlich der Autor sein Thema bearbeitet hat. Es ist nicht nur eine Geschichte der Eisenbahn, sondern selbige wird eingebettet in die Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Dabei wird deutlich, wie sehr der Eisenbahnbau das Leben der Menschen wie letztlich auch den Staat selbst beeinflußt und verändert hat.

England war den deutschen Staaten im Hinblick auf die Industrialisierung um Jahrzehnte voraus. Das wird im einleitenden Kapitel deutlich, in welchem Klee die Zustände in Preußen vor dem Eisenbahnbau schildert. Aber auch während der ersten Jahrzehnte des Bahnbaus hinkt Deutschland weit hinterher. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, daß in jener Zeit die Produktion von Gütern noch in mittelalterlicher Manier stattfand. Kein Wunder, daß selbst die Schienen importiert werden mußten - in deutschen Landen gab es zunächst keine Firma, die solche herstellen konnte.

Es hat mich daher erstaunt zu lesen, daß schon vor dem Bau der ersten Eisenbahn manch weitsichtiger Zeitgenosse ein umfassendes Eisenbahnnetz entwarf - und von den Mitmenschen als „Spinner“ abgetan wurde. Da das absolutistische Preußen kein Geld hatte, mußten Bahnen durch private Gesellschaften gebaut werden. Zusätzlich zur Errichtung der ersten Bahnstrecken wurde also auch die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft etabliert, so daß beide gleichzeitig in ihren Kinderschuhen steckten. Hinzu kamen die Probleme der deutschen Kleinstaaterei - selbst das große Preußen hatte Landesgrenzen zum Ausland, die zu überwinden waren, wollte man die getrennten Landesteile verbinden.

Um so erstaunlicher ist es, daß dennoch die Bahnstrecken gebaut wurden - und das in einem für heutige Zeiten atemberaubenden Tempo. Oft dauerte es gerade mal zwei Jahre zwischen erster Planung und Eröffnung des ersten Teilstückes - in der Zeit haben sich heute gerade mal die Bürgerinitiativen gegen einen Streckenneubau konstituiert, geschweige denn daß auch nur ein vernünftiger Plan vor liegt. Der Verkehr soll heute zwar auf die Schiene, nur Schienen will man halt nicht. Das war seinerzeit etwas anders, da hat man eher darum gekämpft, daß die Schienen möglichst nahe am eigenen Ort vorbei- oder am besten gleich durch führten.

Neben der Entwicklung der Eisenbahn in Preußen kommt jedoch das Umfeld nicht zu kurz. Politische Entwicklungen, Auswirkungen auf die Menschen und Schilderung der teilweise erbärmlichen Umstände, unter denen die damaligen Menschen leben mußten - all das ergibt ein umfassendes Bild jeder Epoche, die letztlich zu einem Höhepunkt deutscher Eisenbahn- und Wirtschaftsgeschichte führen sollte.

Sehr deutlich wird allerdings auch, daß privat gebaute und geführte Eisenbahnen niemals das Wohl des ganzen Staates bzw. der Bevölkerung im Auge haben, sondern stets vor allem den eigenen Profit. Das ist an sich nichts Verwerfliches, ist es doch nicht die Aufgabe privater Unternehmen, Strukturförderung oder gar -politik zu machen, sondern Gewinne zu erwirtschaften. So ergaben sich von Anfang an und immer stärker Gründe und Situationen, in denen der Staat selbst die Bahnen baute und betrieb. Das führte letztlich unter Bismarck zur Verstaatlichung der privaten Gesellschaften unter dem Dach der Königlich Preußischen Eisenbahn-Verwaltung. Auch dies eine Entwicklung, die man heute geflissentlich ausblendet und von der Staatsbahn zurück auf Privatbahnen geht.

Das Ende kam kurz und schmerzhaft. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verfügte die größte Eisenbahnverwaltung der Welt (das war die K.P.E.V. nämlich) praktisch nur noch über Schrott. Erst diese desolaten Zustände verhalfen den seit Jahren immer wieder erhobenen Stimmen zu einer reichseinheitlichen Bahn zum Durchbruch. Sang- und klanglos gingen die einstens glänzenden Länderbahnen unter. „So war das glanzlose Ende auch ein deprimierendes. Ein Neuanfang aber war gemacht, immerhin!“ (S. 214)

Mein Fazit

In gut lesbarer Form vereinigt der Autor Eisenbahn-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu einer umfassenden Gesamtdarstellung der Entwicklung der Eisenbahn im Königreich Preußen von den Anfängen bist zum Ende 1920. Wer sich für die Eisenbahn in Preußen interessiert, wird um dieses Buch nicht herumkommen.

 

Über den Autor

Wolfgang Klee wurde 1952 geboren. Er hat Geschichte studiert, als Journalist gearbeitet und etliche eisenbahnhistorische Bücher veröffentlicht. Er ist als Geschäftsführer der DGEG Medien GmbH (Verlag der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte) tätig.

Bibliographische Angaben

259 Seiten, zahlreiche Illustrationen und historische Fotos, gebunden mit Schutzumschlag
Verlag: Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln Mainz, 1982. ISBN 978-3-17-007466-8

 

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