Old Owl wußte tief im Innern, daß das Volk sich nicht mehr darauf verlassen konnte, daß die Welt so funktionierte, wie sie seit Urzeiten funktioniert hatte.
(S. 469)

Cover: Die mit dem Wind reitetZum Inhalt

Im Jahr 1836 wurde die neunjährige Cynthia Ann Parker bei einem Überfall von Comanchen entführt. Sie hieß später Nadua, integrierte sich völlig in den Stamm und heiratete den Kriegshäuptling Nocona. Im Roman wird ausführlich über das Leben der Comanchen und die Veränderungen, die das Vordringen der weißen Siedler in die von den Comanchen bewohnten Gebiete geschildert. Es ist von guten wie von schweren Tagen die Rede. Bis hin zum Untergang des freien Lebens auf der Llano Estacado.

 

 

 

 

 

Meine Meinung

Alles hat seine Zeit. Dieses Buch habe ich im November 2003 gekauft, weil ich es eigentlich gleich lesen wollte. Doch wie es so geht, es kam etwas dazwischen, und noch etwas - und das Buch blieb im Regal. Doch dann sah ich kürzlich eine Dokumentation über die Bisons in Nordamerika, in der mehrfach Quanah Parker erwähnt wurde. Da fiel mir dieser Roman wieder ein.

Alles hat seine Zeit. Über zwanzig Jahre sind seit dem Kauf des Buches vergangen. Doch nun ist die Zeit für dieses Buch gekommen. Und ich bedaure sehr, es wirklich nicht gleich nach dem Kauf gelesen zu haben.

Denn was die Autorin hier auf über achthundertfünfzig Seiten in geradezu epischer Breite erzählt, ist die Geschichte vom freien (aber sicher nicht unbeschwerten) Leben in den Plains und seinem Untergang durch das Fortschreiten der „Zivilisation“ - oder dem, was gemeinhin so bezeichnet wird. Es ist nicht der erste Roman, den ich gelesen habe, in dessen Verlauf der Begriff „Zivilisation“ in der Bedeutung, die man ihm normalerweise zuschreibt, ad absurdum geführt wurde und sich bei mir der Eindruck verfestigte, daß die Ureinwohner eher in einer Zivilisation gelebt haben denn die weißen Eindringlinge.

Dabei gebührt der Autorin das große Verdienst, nichts beschönigt oder gar verklärt zu haben. Selten habe ich einen Roman gelesen, in dem die brutale Gewalt, die von beiden Seiten angewandt wurde, so offen thematisiert und beschrieben wurde. Die Schilderungen sind meist nicht sehr detailreich, vermitteln jedoch recht gut, was da den jeweils anderen angetan wurde. Diese Szenen sind gewißlich nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Manches widerspricht dem, was ich in anderen Büchern gelesen habe - allerdings war das jetzt das erste Mal, daß es um die Comanchen ging. Und Robson hat einen ziemlich genauen Bericht gegeben, wie der Überfall und die Behandlung der dabei gefangen genommenen Weißen vonstatten ging. Und welche Grausamkeiten dabei verübt wurden. T. R. Fehrenbach hat in seinem Buch „Comanchen“* auch von den Ereignissen, die die Geschichte dieses Romans hier in Gang setzten, berichtet. Die Autorin hat sich eng an die historische Überlieferung gehalten.

Das Buch ist in die Abschnitte „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ und „Winter“ eingeteilt. Dadurch hat man schon vor dem Lesen eine leichte Vorahnung, wie der Abschnitt stimmungsmäßig sein wird. Das unvermeidliche Ende kommt im „Winter“ - ich war dankbar, daß dies der kürzeste Abschnitt war. Etwas irritierend fand ich die Namensgebung für die Comanchen: manche hatten deutsche Namen, manche englische und manche solche in Comanchensprache. Bei der Vielzahl der auftretenden Figuren wäre auch ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen. Neben einem Atlas habe ich öfters die hinten im Buch abgedruckte Landkarte zu Rate gezogen, die sich bei der geographischen Einordnung als sehr hilfreich erwiesen hat.

Ich habe schon etliche Bücher über jene Zeit gelesen, aber in kaum einem wurde der Untergang der Indianer so nachvollziehbar, so wirklichkeitsnah dargestellt wie hier. Die Ausbreitung der Weißen nimmt den ursprünglichen Bewohnern mehr und mehr den Lebensraum und die Lebensgrundlagen. Hinzu kommen bewußt in Gang gesetzte Pocken- und Choleraepidemien mit ihren hohen Opferzahlen. Und immer wieder von seiten der amerikanischen Politiker Versprechungen und Zusagen, die bei erster Gelegenheit gebrochen werden. Kein Wunder, wenn es nie zu einem dauerhaften Frieden oder gar einem friedlichen Zusammenleben gekommen ist. Die Amerikaner hatten gar kein Interesse daran. Sie wollten das Land, sie betrachteten die Indianer als „Wilde“, die es auszurotten galt, nicht als Menschen. Hauptsache, sie verschwanden und machten der „Zivilisation“ Platz.

Doch wenn die Bisons verschwinden konnten, dann war alles möglich, jeder Schrecken, jede Tragödie.“ Dieser Satz taucht zwar erst auf Seite 852 auf; hätte er zu Beginn gestanden, hätte der die Leser allerdings gut auf das, was im Buch zu erwarten ist, vorbereitet. Nach über achthundertfünfzig Seiten ist die Freiheit besiegt, die überkommene Lebensweise zerstört, eine Kultur am Ende.

So bleibt am Ende nur noch mit lauter, klarer Stimme (den) Todesgesang anzustimmen:**

Wohin ich auch gehe,
Fürchtet man mich.
Wohin ich auch gehe,
Ist Gefahr.
Wohin ich auch gehe,
Ist der Tod.
Doch jetzt werde ich
Nicht mehr gehen. **

Suvate. Es ist zu Ende.“***

 

Mein Fazit

Das Schicksal der Cynthia Ann Parker wird hier verwoben mit dem Untergang der Comanchen. Nichts beschönigend oder verklärend gibt die Autorin eine authentische Schilderung vom Leben und Untergang der Comanchen in den südlichen Plains. Erschütternd. Mitreißend. Großartig.

 

Über die Autorin

Lucia St. Clair Robson wurde um 1964 geboren und hat an der University of Florida studiert, später hat sie auch deine Ausbildung zur Bibliothekswissenschaftlerin absolviert. Sie arbeitete als Lehrerin sowie in einer Bibliothek, bevor sie 1982 ihren ersten Roman „Die mit dem Wind reitet“ veröffentlichte. Dieser wurde ein großer Erfolg, seither ist sie hauptberuflich als Schriftstellerin tätig.

Anmerkungen und Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe

* = T. R. Fehrenbach „Comanchen“, Fackelträger-Verlag Hannover 1974; vergleiche Seiten 229ff
** = S. 771 / *** = S. 853

862 Seiten, 1 Foto, 1 Landkarte, kartoniert
Originaltitel: Ride the Wind.The Story of Cynthia Ann Parker. Aus dem Amerikanischen von Hans-Joachim Mass
Verlag: Piper Verlag GmbH, München, 4. Auflage 2002; ISBN-13: 978-3-492-22839-8

 

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