Cover: Die Sehnsucht der Cheyenne

 

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Amerika, 1863: Der Stamm der Crows hat ein heiliges Lederband der Cheyenne-Indianer geraubt. Es liegt an Eulenfrau, einer Cheyenne, die als Kind von den Crows entführt wurde, dieses Symbol der Tapferkeit zu ihrem Volk und dem Mann, den sie liebt, zurückzubringen. Ihr entbehrungsreicher Marsch über die weiten Ebenen führt sie zu den südlichen Cheyenne in Colorado und in das historische Massaker am Sand Creek, das zum Symbol des verzweifelten Kampfes der Indianer gegen die Weißen wurde. Vor dem historischen Hintergrund der Indianerkriege kämpft Eulenfrau um Liebe, Ehre und Existenz ihres Volkes.

Kommentar / Meine Meinung


Major Wynkoop wird uns beschützen“, vertraute Schwarzer Kessel dem Befehlshaber des Forts. „Er hat uns eine amerikanische und eine weiße Flagge gegeben. Wir sollen am Sand Creek lagern und sie dort an einen Pfahl binden, damit jeder weiße Mann erkennt, dass wir seine Freunde sind. Uns wird nichts passieren, mein Freund. Nur die Indianer, die Krieg führen, werden sterben.“ (Seite 204)

Ein Buch, das mir die Vorstellung nicht leicht macht. Das fängt schon mit der Einsortierung in ein bestimmtes Genre an. „Historischer Roman“ paßt genauso wie „Jugendbuch“. Allerdings ist die Beschreibung z. B. des Sand Creek Massakers „jugendtauglich“. Ohne jedoch die fürchterliche Grausamkeit, mit der die Cheyenne hingemetzelt wurden, zu verschweigen. Man hört förmlich die Schüsse der Gewehre, die verzweifelten Schreie der Getroffenen, das höhnische Gelächter der Soldaten. (Wie man dem Nachwort entnehmen kann, ist die Geschichte von Eulenfrau zwar erfunden, jedoch wurde von Augenzeugen überliefert, daß eine junge Frau „so tapfer wie ein erwachsener Krieger“ gekämpft habe.)

Doch bis es dahin kommt, ist ein weiter Weg zurückzulegen. Ein Weg, der zunächst von den Tsis-Tsis-Tas (wie sich die Cheyenne selbst nennen) zu den Apsaroke (Crow, die sie entführen) führt. Diese verläßt Eulenfrau nach etlichen Monaten, in denen sie sich zusehends fragt, weshalb eigentlich die Stämme gegeneinander Krieg führen (denn rechtschaffene Menschen gibt es überall), um auf eine lange Wanderung zurück zu ihrem Stamm aufzubrechen. War sie als gefangenes Mädchen zu den Crows gekommen, so geht sie als geachtete Frau in Frieden.
Es ist ein langer Weg, der zu verschiedenen Begegnungen führen wird. Von Lakota-Kriegern (Oglala-Sioux) über den weißen Mann, gut wie böse, bis hin zu Elster, einer weisen alten Lakota, die alleine in der Prärie lebt.

Bisweilen muß man etwas aufpassen, die Traum- bzw. Visionsphasen zu erkennen; am Anfang habe ich das nicht gleich gemerkt, doch dann war klar, wann Eulenfrau träumt bzw. eine Vision hat, da es sehr eindeutige Anzeichen dafür gibt. Das Einbeziehen dieses Elementes ins Buch hat mir sehr gut gefallen, da es - soweit ich das beurteilen kann - der Lebens- und Sichtweise der Indianer damals entspricht.

Das Buch ist aus Sicht der Indianer, genauer gesagt Eulenfrau, geschrieben, und wir erfahren vieles über deren Denkweise und Weltsicht. (Nur an einigen wenigen Stellen wechselt die Sichtweise, womit der Kontrast um so schärfer zutage tritt.) Thomas Jeier hat in der Tat gut recherchiert; viele Details habe ich schon in anderen (Sach-) Büchern gefunden. Hier erwacht die indianische Lebens- und Sichtweise zum Leben, immer wieder bin ich über die tiefe Weisheit, die sich darin verbirgt, erstaunt.

Die verwendeten indianischen Worte sind übrigens authentisch aus der Cheyenne-Sprache, womit ich bei ein paar Kritikpunkten wäre. Ich habe mich früher schon mal näher mit den Cheyenne beschäftigt, weswegen mir vieles vertraut war. „Hundekrieger“ ließ mich stutzen, aber es ist die wörtliche Übersetzung für diesen Kriegerbund; mir ist halt das englische Wort „Dogmen“ in Fleisch und Blut übergegangen (nicht zuletzt durch den Film "Last of the Dogmen / Das Tal der letzten Krieger“, in dem man sich solche Krieger ansehen kann, genau so wie sie im Buch beschrieben sind). Bisweilen hatte ich Schwierigkeiten, die Personen auseinanderzuhalten, denn sie haben alle konsequent indianische Namen - und die sind für uns Bleichgesichter mitunter etwas seltsam.

Thomas Jeier schreibt meist in kurzen, nicht verschachtelten Sätzen. Ich glaube jedoch nicht, daß das dem Genre „Jugendbuch“ geschuldet ist, sondern bewußt als Stilmittel eingesetzt wurde. Zumindest bei mir entstand eine seltsame Stimmung, die Personen und Geschehnisse erwachten auch ohne viel Worte zum Leben; ich habe den Wind durchs Büffelgras streichen gehört, den Donnervogel übers Land fliegen gesehen. Gerade so, als ob ein Geschichtenerzähler vor mir säße und alles in seinen eigenen Worten erzählen würde. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack; ich hätte noch stundenlang weiterlesen können (und konnte das Buch kaum aus der Hand legen). Manches kam etwas zu kurz, doch ganz so vorhersehbar (wie der Klappentext vermuten lassen würde), ist das Buch denn doch nicht. Mehrere Male war ich überrascht, daß etwas eben nicht gut ging, und zwar auf sehr glaubwürdige und realistische Weise. Wer unbedingt nach Klischees suchen will, zumindest eines gibt es: die Westernstadt und das Verhalten seiner weißen Bewohner könnte geradewegs einem Hollywood-Western entsprungen sein. Genau so, wie „man“ sich das halt so vorstellt. Was mir den Lesegenuß jedoch nicht trüben konnte, so ein, zwei „Aha, wußte ichs doch“ - Erlebnisse dürfen schon sein.

Wenn wir an einem Lagerfeuer sitzen würden, und einer der alten weisen Männer die Geschichte von Eulenfrau und Wolfsgesicht erzählen würde - sie würde genauso klingen, wie hier im Buch.
“Ei-e-ya, so hat es sich zugetragen.“

 

Mein Fazit

Vor dem historischen Hintergrund der beginnenden Indianerkriege muß Eulenfrau ihren Weg finden, zu ihrer und ihres Stammes Heil. Bisweilen traurig, bisweilen tragisch, bisweilen einfach schön.

 

Bibliographische Angaben

252 Seiten, gebunden, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2004

 

Ursprünglich geschrieben am 31. Juli 2008

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