He wanted to understand the Comanche beliefs, to know why raiding and living the nomadic life, torture, and revenge seemed as natural to those wild men of the Texas Plains as farming and doing business was for white men.* (Seite 35)

 

Cover: Comanche SunsetZum Inhalt

1860. Jennifer Andrews wuchs nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem Onkel und ihrer Tante auf. Während die Tante eine herzensgute Frau war, hat sich der Onkel das ererbte Vermögen Jennifers angeeignet. Nach dem Tod seiner Frau will er das auch mit Jennifer, nun achtzehn Jahre alt, tun und sie zu seiner Geliebten machen. Die antwortet jedoch auf eine Anzeige und flieht als „Mail Order Bride“ nach Texas. Auf dem Weg dorthin lernt sie das Halbblut Wade Morrow kennen. Beide wehren sich gegen die aufkommenden Gefühle. Doch als sie nach einem Indianerüberfall die einzigen Überlebenden sind, brechen die Dämme der Vorsicht.
Aber das Schicksal hat noch einiges mit ihnen vor. Jennifer muß ihrem „Verlobten“ entgegentreten und mit ihm fertig werden, während sich Wade auf die Suche nach den Comanchen macht. Als Baby wurde er ausgesetzt und von Weißen Siedlern gerettet. Nun will er wissen, was damals geschehen ist, weshalb man ihm zum Sterben zurück ließ - und ob er am Ende einen Zwillingsbruder hat.
Aber Zwillinge gelten für die Comanchen als ein schlechtes Zeichen - diese dürfen nicht überleben. Was passiert, wenn nun Wade auftaucht und seinen Zwillingsbruder findet? Eine Katastrophe scheint sich anzubahnen.

 

 

 

Meine Meinung

Nach Michael Blakes „Der mit dem Wolf tanzt“ sowie dessen Fortsetzung "Der Tanz des Kriegers", ist dies erst das dritte Buch, das ich gelesen habe, in dem die Comanchen eine wesentliche Rolle spielen. Wenn ich an die Rolle der Comanchen in der kürzlich gelesenen Savage Destiny Serie der selben Autorin denke, so bin ich eher negativ vorbelastet. Wäre nicht Rosanne Bittner die Autorin, wer weiß, ob ich diesen Roman gelesen hätte. Womit ich allerdings gewißlich etwas verpaßt hätte.

Jetzt, nach dem letzten Satz bin ich immer noch gefangen in der Erzählung und habe Mühe, in die Realität des Jahres 2021 zurückzukehren. Zu gut hat die Autorin ihre Geschichte erzählt, zu intensiv lief das Kopfkino, zu tief hat die Autorin mich in ihre Geschichte hineingezogen, zu sehr sind die Figuren zum Leben erwacht. Einem Leben, das ich nicht unbedingt geführt haben wollte, die Menschen damals aber keine andere Wahl hatten. Wie schon in der Savage-Desiny-Serie, so wird auch hier überdeutlich klar, wie beschränkt beispielsweise die medizinischen Möglichkeiten bei Verletzungen waren, vor allem im Hinblick auf Wundversorgung. Narkose gab es noch nicht, und unterwegs waren auch keine der damals üblichen Schmerzmittel verfügbar. Bekam man also eine Kugel ab, hieß es, die bei vollem Bewußtsein herauszuoperieren. Man konnte nur hoffen, dabei ohnmächtig zu werden und erst nach erfolgreicher Operation wieder aufzuwachen. Die Beschreibungen gehen nicht zu sehr ins Detail, dennoch weiß man und kann nachfühlen, was Verletzungen damals bedeuteten. Und im „Wilden Westen“ kamen Verletzungen durchaus häufig vor - auch bei Damen jeglicher Couleur.

Aus dem Geschriebenen wird schon ersichtlich, daß es sich hier - auch, wenn eine Liebesgeschichte, wie schon der U4-Text verrät, eine Rolle spielt - nicht einfach um einen ins Texas des Jahres 1860 versetzten Liebesroman handelt, sondern um einen historischen Roman mit allen Härten, welche die damalige Zeit in Texas mit sich brachte. Und mit allen Vorurteilen jener (nur jener?) Zeit. Im Vorwort schreibt Rosanne Bittner, daß zwar alle Figuren und Handlungen fiktiv sind, die Einstellungen und Meinungen der Handelnden jedoch den damaligen entsprechen. Das hieß, wenn es etwa um Indianer ging, Rassismus bis zum Äußersten.

Wie in der Savage-Destiny-Serie spielt auch hier die Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem Halbblutindianer eine wesentliche bzw. treibende Rolle. So bleiben gewisse Ähnlichkeiten nicht aus, denn ob in Colorado, Wyoming oder Texas - die Weißen dachten und handelten überall gleich. Die meisten jedenfalls. Denn Wade Morrow, dessen Mutter Comanche war, wurde als wenige Stunden altes Baby von seinen weißen Eltern aufgenommen und wie ein eigener Sohn aufgezogen. Seine Stiefbrüder lassen das „Stief“ weg und bezeichnen in als Bruder - Wade hatte Glück in eine Familie zu kommen, in der seine Herkunft keine Rolle spielte. Er wurde nach seiner Geburt ausgesetzt, um zu sterben. Denn er war ein Zwilling - und Zwillinge waren für die Comanchen ein böses Zeichen. Diese mußten sterben.

Hieraus entwickelt sich sechsundzwanzig Jahre später auch die Handlung des Buches. Wade will wissen, weshalb er ausgesetzt wurde und ob er noch indianische Verwandten hat. Nach einer Reise, die er für die Firma seines Vaters unternommen hat, macht er sich auf die Suche. Dabei begegnet er Jennifer Andrews aus St. Louis, die vor den Übergriffen ihres Onkels geflohen ist. Es kommt, wie es kommen mußte: beide verlieben sich ineinander, aber bis zu einem möglichen Happy End sind nahezu unüberwindliche Hindernisse zu bewältigen.

Im Weg sind nicht nur die Vorurteile der Weißen, sondern auch die der Comanchen. Wade findet seinen Zwillingsbruder und erfährt, daß nur einer von beiden überleben darf. Nun nützt ihm seine ganze „weiße“ und christliche Erziehung und Einstellung nichts mehr - mit Wild Horse ist weder zu spaßen noch zu reden. Eine Internetrecherche ergab, daß die Einstellung der Comanchen (und mancher anderer Stämme) zu Zwillingen im Buch richtig dargestellt wurde. Auch wenn es dem Leser (wie Wade oder Jennifer) schwer fällt, das zu verstehen und nachzuvollziehen, so handeln die Comanchen jedoch in sich schlüssig entsprechend ihren Überzeugungen und Überlieferungen. Es prallen zwei Welten aufeinander, die anscheinend unversöhnlich sind, im Laufe des Geschehens jedoch - zumindest was Wade und Jennifer betrifft - das Verständnis für die andere Seite wecken können. Mit ihnen lernt auch der Leser einiges über die Denk- und Lebensweise der Comanchen und wird Verständnis entwickeln, wobei „Verständnis“ nicht immer mit „Billigung“ oder „Zustimmung“ gleichzusetzen ist.

Oder, wie ein wohlmeinender Händler Wade erklärt:
„But I understand some of the reasons, and I understand a little bit about the nature of the Comanche. Most folks don’t try to understand. They just figure anybody who doesn’t live and believe like they do is wrong.“** (S. 300)
Eine Einstellung, die in diesem Buch sehr häufig vorkommt und bis heute weit verbreitet ist. Mit teilweise ähnlich fatalen Folgen wie damals.

Wie es sich für einen solchen Western gehört (und es sich zwangsläufig aus dem Gang der Handlung entwickelt), spitzt sich alles auf einen fast hundertseitigen Showdown hin zu. Am Ende, wenn die Überlebenden sich zusammenraufen und die Geschichte auserzählt ist, hieß es Abschied nehmen von Figuren, die so lebensnah beschrieben waren, daß ich meine, sie persönlich gekannt zu haben. So lasse ich sie denn ziehen und ihr Leben leben; sicherlich werde ich jedoch sehr bald wieder zu einem Buch der Autorin greifen, denn diese hat eine Art zu erzählen, wie ich sie nur selten gefunden habe.

Mein Fazit

In den Texas Plains des Jahres 1860 prallen die Welten und Denkweisen von Weißen und Comanchen hart aufeinander. Zwischen die Fronten geraten Wade Morrow und Jennifer Andrews. In einer dramatischen Erzählung erweckt die Autorin Figuren wie Zeitumstände zum Leben und läßt den Leser die Konflikte quasi aus erster Hand miterleben. Mit Sympathie für die Unterlegenen geschrieben, bietet der Roman etliche lohnende fesselnde Lesestunden.

 

Über die Autorin

Rosanne Bittner wurde 1945 geboren und begann schon während der Schulzeit zu schreiben. Ihr erstes Buch verkaufte sie 1983; bisher sind über sechzig Romane von ihr erschienen. Sie ist seit 1965 verheiratet und zweifache Mutter. Sie lebt in der Nähe des Lake Michigan.

Bibliographische Angaben und Sinngemäße Übersetzungen

434 Seiten, kartoniert
Verlag: Diversion Books, New York NY 2017 (Erstauflage 1991). ISBN 978-1-63576-357-7

* = Er wollte den Glauben der Comanchen verstehen, wissen, wehalb (Siedler) überfallen und nomadisch leben, Folter und Rache diesen wilden Menschen der Texas Plains so normal erschienen wie Land bebauen und Geschäfte abschließen es für den Weißen Mann ist.
** = Doch ich verstehe einige der Gründe, und ich verstehe etwas die Natur der Comanchen. Die meisten Menschen versuchen überhaupt nicht zu verstehen. Sie sind der Meinung, jeder, der nicht wie sie selbst lebt und das selbe glaubt, lebt falsch.“

 

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