Die Stimmen, die den ganzen Morgen so laut und rauh gewesen waren, klangen jetzt gedämpft, und er sah ihren Gesichtern die Melancholie an, die aus dem Wissen kommt, daß aus einem guten Weg plötzlich ein schlechter geworden ist. (Seite 168)
Zum Inhalt
Von einer schweren Verwundung genesen, hat Lieutenant John Dunbar nur einen Wunsch: er möchte zum Dienst an die Siedlungsgrenze versetzt werden. Dort eingetroffen, findet er den Posten verlassen vor. Da er annimmt, daß die Besatzung bald zurück kommen wird, richtet er sich ein - mit einem Wolf, neben seinem Pferd, als einziger Gesellschaft.
Bald macht er Kontakt mit benachbarten Comanchen. Aus gegenseitiger Neugier erwächst schließlich Achtung. Dunbar nähert sich mehr und mehr den Indianern an. Aber am Horizont ziehen dunkle Wolken auf - das ruhige Leben ist nicht von Dauer.
Kommentar / Meine Meinung
Dances With Wolves ist der Originaltitel, der mir besser als der doch etwas umständliche deutsche gefällt. Das Buch hatte ich vor rund zwanzig Jahren schon einmal gelesen, die Verfilmung mehrfach gesehen. Insofern war es nichts Neues. Und doch, obwohl ich die großen Züge der Handlung noch immer im Kopf hatte, war es wieder neu, spannend, mitreißend.
Und das, obgleich mir der Schreibstil nicht so ganz zusagte. Blake schrieb meist in kurzen Sätzen, die Geschichte wird sehr handlungsbezogen erzählt, Beschreibungen von Menschen und Landschaft sind meist eher kurz und beschränken sich auf wesentliche Merkmale, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Angesichts der Weite des Raumes und der Handlung hätte ich mir eine mehr epische, ausladendere Erzählweise gewünschte. Ich war mir oft nicht so ganz sicher, ob Blake eher für ein jugendliches Publikum schrieb oder ob er eine, um es so auszudrücken, indianische Erzählweise wählen wollte. Vielleicht wollte er so schreiben, daß man beim Lesen das Gefühl hat, man sitze an einem Lagerfeuer und bekäme die Geschichte erzählt, so wie ich es etwa bei Robert J. Conleys „Der Wind rief seinen Namen“ empfunden habe. Dieses Gefühl stellte sich bei mir jedoch leider nicht ein.
Dennoch habe ich dieses Buch sehr gerne (wieder) gelesen, und das Vorherige ist auch mein einziger wirklicher Kritikpunkt. Da, wo mir die Beschreibungen nicht ausholend genug waren, ergänzte die Vorstellung die Bilder aus der Verfilmung, die weitgehend dem Buch getreu ausgefallen ist. Die größte Abweichung, soweit ich das im Kopf habe, ist das Ende. Im Film fehlen die letzten fünf Seiten des Buches, was sehr schade ist, da mir das Buchende deutlich mehr zusagt. Die historischen Ereignisse dürften den meisten bekannt sein, so daß ohnehin ziemlich klar ist, was nach den Geschehnissen dieses Romans mit den Figuren weiter passieren dürfte...
Besonders gefallen hat mir, daß Blake versucht hat, das Buch aus Sicht der Comanchen zu schreiben. Er hat anscheinend gut recherchiert, denn das Leben, die Denk- und Handlungsweise der Indianer, wie er es beschreibt, scheint mir gut getroffen zu sein. „Weiße“ Sichtweisen tauchen eher selten auf. Dunbar ist zu Beginn zwar Soldat der US-Army, aber den Indianern gegenüber sehr offen und vorurteilsfrei. Das läßt ihn immer mehr eintauchen in das Leben auf der Prärie und ihn sich an irgendeinem Punkt die Frage stellen, welches Leben er eigentlich führen will. Ich habe seine Entwicklung und Veränderung zu keiner Zeit infrage gestellt; es ist, als ob es unter den gegebenen Umständen einfach so sein mußte.
Nie wird dabei aber übersehen, daß er von Hause aus ein „Weißer“ ist und manches anders sieht, als seine „roten“ Freunde. Es passiert ihm immer wieder, daß er in Gewissenskonflikte gerät und nicht recht weiß, was richtig und was falsch ist. Besonders deutlich wird das beim Kampf gegen die Pawnee. Und genau so deutlich wird der Unterschied zu den Kämpfen und Kriegen, die er bisher in seinem Leben kannte:
Dies war kein Kampf um Land, Reichtümer oder zur Befreiung gewesen. Dieser Kampf war gewagt worden, um die Heime zu schützen, die nur ein paar Schritte entfernt standen. Und um die Frauen und Kinder und Geliebten zu schützen, die darin kauerten. Darüber hinaus hatten die Comanchen gekämpft, um den Vorrat an Nahrung zu schützen, mit dem sie durch den Winter kommen würden und für deren Beschaffung jeder so hart gearbeitet hatte. (S. 276)
Wenn man es genauer betrachtet, ließe sich dieser Unterschied im Kriegsgrund auch zu den wohl allermeisten der heutigen bewaffneten Konflikte feststellen. Ob das nun für die „weiße“ Kultur spricht, sei hier nicht weiter untersucht.
Es ist eine weite Reise, die Lieutenant John Dunbar im Verlauf dieses Buches unternimmt, auch wenn es weder geographisch noch zeitlich über große (Zeit)Räume geht. Aber welcher Kontrast zwischen dem Beginn und dem Schluß! Über dem Ende liegt eine Melancholie, die nicht nur durch die letzten Sätze erzeugt, sondern auch durch das Wissen um das, was in den Jahren nach den Ereignissen dieses Buches geschah. Die Zeit ist über die Ereignisse hinweg geschritten, wir heutige lesen sie nach, sehen sie im Film, aber die Menschen damals mußten sie durchleben und durchleiden. Auch der, der in den weiten der Prärie verschwunden war. So gründlich man auch suchen mochte, John Dunbar war und blieb verschwunden. Zurück blieb Der mit dem Wolf tanzt.
Kurzfassung
Stilistisch zwar nicht ganz überzeugend erzählt Blake den Anfang vom Ende der Comanchen und dem freien Leben in der Prärie in einem dennoch großartigen und überaus lesenswerten Buch mit unvergeßlichen Figuren.
Über den Autor
Michael Blake, geb. 1945, studierte Journalismus an der University of New Mexico und absolvierte eine Filmschule in Berkeley. Er war verheiratet und hatte drei Kinder. Nach Jahren in Los Angeles lebte er auf einer Farm in Arizona. Er starb am 12. Mai 2015 in Tuscon.
Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe
Die Fortsetzung: Blake, Michael: Der Tanz des Kriegers
Originaltitel: Dances With Wolves. Aus dem Amerikanischen von Joachim Honneff
Ausgabe für den Bertelsmann Buch Club oJ (ca. 1992), gebunden mit Schutzumschlag, 319 Seiten