„Das Gras und der Himmel dauern ewig,
doch heute ist ein guter Tag zum Sterben.“*
(Seite 18)

Cover: Track of the BearZum Inhalt

Seit Anbeginn der Zeit gibt es einen Bund zwischen Mensch (dem Volk) und Bär: der Bär läßt die Menschen des Volkes in Ruhe und diese den Bären - Bärenjagd und gar Bärenfleisch essen ist absolut tabu. Um so größer der Schrecken, als Corn Woman von einem riesigen Bären getötet wird. Nun ist guter Rat teuer: war das ein Einzelfall, wurde der Bund gebrochen, wie soll man reagieren?
Walks in the Sun, der inzwischen alte Medizinmann, geht von einem Einzelfall aus. Aber sein Sohn Singing Wolf ist sich da nicht so sicher. Irgendetwas hat sich verändert, es liegt Unheil in der Luft. Er wird recht behalten - Corn Woman bleibt nicht das einzige Opfer des Bären, alle Versuche, das Töten zu beenden, scheitern. Die Kraft von Walks in the Sun scheint zu schwinden, so ist es an Singing Wolf, eine Lösung zu finden. Bevor noch mehr Unheil geschieht.

 

 

 

 

Meine Meinung

Gut 35 Jahre sind vergangen, seit Walks in the Sun von der tragisch verlaufenden Expedition in den Süden heimgekehrt ist. Als angesehener Medizinmann ist er alt geworden und dabei, seinen Sohn Singing Wolf auf die Nachfolge vorzubereiten. Alles scheint seinen natürlichen Gang zu gehen - bis Corn Woman von einem riesigen Bären getötet wird. Und dies ist erst der Anfang einer ganzen Reihe von Opfern, die der Bär fordern wird. Walks in the Sun muß einsehen, daß er mit seiner ursprünglichen Meinung, daß es sich um einen tragischen Einzelfall gehandelt habe, anscheinend falsch liegt. Sein Sohn hingegen ging von Anfang an von mehr als einem einzelnen Ereignis aus. Beginnen die Kräfte des Medizinmannes zu schwinden, ist es Zeit für die Übergabe an seinen Sohn?

Je weiter die Buchserie voran schreitet, um so tiefgründiger, eigenständiger werden die Bände, obgleich, wie mit dem Startband begonnen, die durchgehende Geschichte des Volkes seit 1540 erzählt wird. Immer wieder tauchen Erinnerungen an Begebenheiten oder Figuren aus früheren Bänden auf. Zwar ist deren Kenntnis nicht wesentlich für das Verständnis der hier erzählten Geschichte, aber es zeigt die Durchgängigkeit der Erzählung vom ersten Band an, die zwar alle einzeln für sich lesbar und verständlich sind, im Zusammenhang aber eine ganze, auf die Geschichte des Volkes und seiner Mythologie begrenzte, Welt erschaffen. Dies empfand ich hier so intensiv geschrieben, daß es mich fast schon zum Zweifeln an der eigenen Welt bzw. Sichtweise brachte.

Denn dieses Buch steigt recht tief in die Vorstellungs- und Glaubenswelt des Volkes ein und berührt damit existentielle Fragen. Wenn eine Seite einen Bund bricht, ist man dann gehalten, sich weiter an diesen zu halten - oder darf man ihn auch brechen? Wenn es das absolute Tabu zu töten gibt, wie verhält man sich, wenn die „Gegenseite“ dieses Tabu bricht und tötet - mehrfach? Wie soll man darauf reagieren, wie weit darf man gehen? Das ganze Buch ist von diesen Grundfragen durchzogen - Fragen, die durchaus auch heute und in unserer „weißen“ Welt von grundlegender Bedeutung sind.

Es ergibt sich aus der Thematik, daß dies kein fröhlicher, sondern ein von einer melancholischen Grundstimmung durchzogener Roman ist. Etwas Düsteres, nicht näher Bestimmbares liegt über Land und Leuten. Hinzu kommt, daß es für eine Geschichte, in der keine kriegerischen Auseinandersetzungen vorkommen, eine relativ hohe Zahl an Toten gibt. Coldsmith hat aus dieser Gemengelage einen packend erzählten Roman, in dem teilweise Mythos und Realität zu verschmelzen scheinen, geschaffen, der aber dennoch durchgehend rational bleibt und nicht ins Übernatürliche abgleitet. Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang die innerhalb des Textes gegebene Erklärung zur Entstehung von Mythen, Sitten und Gebräuchen (vgl. S. 121f), die sich aus ganz praktischen Erwägungen heraus entwickeln können, ehe sie fast schon religiösen Status erreichen.

Gegen Ende wird es dann hochemotional. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, ist dies das erste Mal bei Büchern dieser Reihe, daß ich mit Tränen zu kämpfen hatte. Wer die letzten vier Kapitel liest wird verstehen, weshalb.

In meiner Rezension zu Band 16 „Fort de Chastaigne“ schrieb ich, daß mir selbiger als ein Bruch in der Serie erschiene. Hier nun wird dies überdeutlich, denn „Track of the Bear“ sticht, wie ausgeführt, in mancherlei Hinsicht aus der Reihe heraus. Vor allem ist es der erste Band, der sich mit tiefgreifenden theologischen bzw. ethischen Problemen auseinandersetzt. Diese entstehen zwar innerhalb der Welt und Vorstellungswelt des Volkes, sind im übertragenen Sinne jedoch auch für uns Heutige von hoher Relevanz.

Band 23 „Child of the Dead“ schließt an die tragischen Ereignisse dieses Romans fast nahtlos an, aber der muß noch etwas warten. Zu sehr haben mich die Grundfragen von „Track of the Bear“ mitgenommen, als daß ich schnell zur Tagesordnung bzw. dem nächsten Buch übergehen könnte. Ein beeindruckendes Buch, das lange nachhallt.

 

Mein Fazit

Wenn ein Bund gebrochen, ein Tabu verletzt wird: wie geht man damit um, wenn Gefahr für Leib und Leben, für den Fortbestand der Nation besteht? Existentielle Fragen und eine spannende Erzählung ergeben ein beeindruckendes Buch.

 

 

Über den Autor

Don Coldsmith, geboren 1926, arbeitete bis 1988 in Kansas als Arzt. Mit seiner Frau Edna betrieb er zudem eine kleine Farm und Pferdezucht. Er schrieb insgesamt über 40 Bücher und starb am 25. Juni 2009.

Originaltexte und Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe

* = The grass and the sky go on forever, / But today is a good day to die. (S. 18)

182 Seiten, 1 Stammtafel, gebunden mit Schutzumschlag
Verlag: Doubleday, a division of Bantam Doubleday Dell Publishing Group New York/London/Toronto/Sydney/Auckland 1994; ISBN-10: 0-385-47028-2, ISBN-13: 978-0-385-47028-5

 

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