Er schüttelte den Kopf. „Ich kann’s mir nicht vorstellen, dass man im Jahr 1914 Krieg führt!“ (...)
Katastrophen konnte man sich erst vorstellen, wenn sie da waren. (Seite 271)

 

Cover: Der Engel mit der PosauneZum Inhalt

Ein Engel, der eine Posaune bläst, thront als Steinfigur über dem Eingang zum Haus in der Seilerstatt 10 in Wien und wacht seit dem Bau über die Bewohner. Diese sind alle Mitglieder der Familie Alt, einer alteingesessenen Klavierbauerfamilie. Mit Henriette Stein, die ein enges Verhältnis zum Kronprinzen Rudolf hat, kommt „frisches Blut“ in die Familie, als sie den Fabrikerben Franz Alt heiratet. Doch nicht alle Familienmitglieder sind ihr gewogen, und manchmal erscheinen die Sitten im Haus ähnlich streng wie die bei Hofe.
Zwischen dem Selbstmord des Kronprinzen Rudolf und dem "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich entwirft der Autor, in dem er die Geschichte der Generationen der Alts in der Seilerstätte 10 erzählt, nicht nur eine Familiengeschichte, sondern das Bild vom Untergang des alten Österreich.

 

 

 

Meine Meinung

Ein Engel mit einer Posaune thront wachsam über dem Eingang des Hauses Seilerstätte 10; mit diesem beginnt sowohl das Buch als auch die Verfilmung des Romans „Der Engel mit der Posaune“, durch welche ich auf die Buchvorlage aufmerksam wurde. Wie ich inzwischen weiß, weicht der Film in Teilen erheblich vom Roman ab; das Buch erscheint mir härter - und damit vermutlich realistischer - zu sein. Auch wenn sich das Buch gut lesen läßt, wenn man sich an den Stil des Autors gewöhnt hat, so ist es jedoch alles andere als einfache Kost. Aber das sollte alleine schon durch die Anfang und Ende des Romans bezeichnenden Ereignisse klar sein.

Von Beginn an hatte ich das Gefühl, in einer anderen Zeit zu sein. Lothar hat es verstanden, daß ich in den Jahren, die während des Kaiserreichs spielten, stimmungsmäßig dort war und er verstand es, die bedrückende Atmosphäre, die sich mit dem Nahen der Nazis mehr und mehr ausbreitete, spürbar werden zu lassen. Selten (oder vielleicht noch nie) habe ich ein Buch gelesen, in welchem in so lakonisch-neutraler Erzählweise dermaßen scharfe und gleichermaßen hochemotional aufgeladene Bilder entworfen und beschrieben werden wie hier. Das führt stellenweise zu Szenen, in denen einen das Grauen förmlich aus den Buchseiten heraus ins Gesicht springt. Viel deutlicher kann man die Verworfenheit und Absurdität der Nazi-Ideologie nicht mehr entlarven.

Passend zum Untertitel „Roman eines Hauses“, der durchaus mehrdeutig verstanden werden kann, beginnt das Buch mit der Beschreibung eben jenes Hauses in der Seilerstätte 10 in Wien, seiner Geschichte und der seiner Bewohner. Ein Personenverzeichnis wäre hilfreich gewesen, wird es doch von zahlreichen Personen aus verschiedenen Zweigen einer einzigen Familie bewohnt, bei denen man leicht den Überblick verliert. So viele verschiedene Wohnungen das Haus hat, so verschieden sind auch die Menschen, die es bewohnen und die über die Jahre hinweg irgendwie miteinander auskommen müssen.

Hier hinein heiratet Henriette Stein, die Tochter des der Obrigkeit - und manchem im Haus - etwas suspekten Professors Stein. Von ihrem Gatten Franz, dem Inhaber der Klavierfabrik, heftig geliebt, ist es für sie eher eine Vernunftehe, denn über all die Jahre hinweg trauert sie ihrer großen Liebe, dem Kronprinzen Rudolf, nach.

Eingebettet in die Zeitläufte erleben die Figuren - und damit wir Leser - die Ereignisse mit: die Monarchie, den Ersten Weltkrieg, die Revolution und Republik, deren Scheitern bis hin zum Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich. Die Figuren sind gut gezeichnet und weit entfernt davon, einfach oder gar eindimensional zu sein. Sie haben ihre Ecken und Kanten, ihre guten und schlechten Seiten, so daß es schwer fällt, Sympathie und Antipathie immer eindeutig zu verteilen. Sie handeln nicht immer logisch, nicht immer rational, und mögen manches mal so gar nichts dazu lernen. Es ist, wie im richtigen Leben. Aber gerade deshalb war es mir möglich, vieles so gut nachzuempfinden. Aus ihrer jeweiligen Situation heraus konnten sie nicht anders denken oder handeln, als sie es taten. Der Autor hat seine Figuren, wie es im Nachwort heißt, in der Tat „voller Zuneigung und Humor gezeichnet“. Daß manche sich entwickeln, wie sie es eben tun, ist darob um so erschreckender - und vermutlich um so realistischer.

Franz’ magere Phantasie ließ ihn im Stich. Waren sie wirklich glücklich gewesen, seine Vorgänger auf Nummer 10? Er hatte sich nie darum bekümmert. (S. 32) Ob die Vorfahren glücklich gewesen waren, wird wohl niemand mehr erfahren. Ob aber Franz und die Seinen glücklich geworden sind, ist in diesem Buch zu lesen. Eine längst fällige Wiederentdeckung, ein großartiger Roman und vermutlich mein Lesehighlight des Jahres: Der Engel mit der Posaune.

Mein Fazit

Ein großartiger Roman, nicht nur über eine Familie, sondern den Untergang der einen und das Heraufdämmern einer anderen Epoche.

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Über den Autor

Ernst Lothar (eigentlich Ernst Lothar Sigismund Müller) wurde 1890 in Brünn geboren. Er studierte Germanistik und Jura an der Universität Wien, Abschluß 1914 mit Dr. jur. Er heirate (Scheidung 1933) und wurde zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg wurde er als Staatsanwalt tätig und veröffentlichte erste Werke unter Pseudonym. 1925 wurde er als Hofrat pensioniert. Danach arbeitete er als Theater- und Literaturkritiker, führte Regie am Burgtheater und wurde 1935 Nachfolger von Max Reinhardt am Theater in der Josefstadt. 1933 heiratete er die Schauspielerin Adrienne Gessner, mit der er 1938 vor den Nazis über Paris in die USA floh. 1946 kehrten sie nach Österreich zurück. Von 1948 bis 1962 war er als Regisseur am Burgtheater tätig, bis 1959 gehörte er der Direktion der Salzburger Festspiele an.
Er starb in Wien am 30. Oktober 1974.

Bibliographische Angaben

543 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Verlag: Paul Zsolnay Verlag, Wien 2016; ISBN-13: 978-3-552-05768-5

Beller, Misty M.: Light in the Mountain Sky (Call of the Rockies 3)

Von den Blackfoot angegriffen zu werden könnte die beste der Optionen sein. Wenigstens könnten sie die Männer dann offen und direkt bekämpfen.* (Seite 139)

 

Cover: Light in the MountainSkyZum Inhalt

Eher Tage denn Wochen, nachdem die Abenteuer des zweiten Bandes bestanden waren, macht sich die Gruppe um Beaver Tail wieder auf den Weg in ein neues Abenteuer. Es gilt, die von Blackfoot entführte Schwestern Meksems zu befreien. Mitten im Winter mitten in den Rocky Mountains kein leichtes Unterfangen.
Meksem als besonders Betroffene wird zwar allgemein als Führerin der Expedition anerkannt, dennoch fällt es ihr, die schon immer um Anerkennung kämpfen mußte, nicht leicht, mit einer Gruppe, für die sie Verantwortung trägt, zu reisen. Zumal da Adam ist, der anscheinend ihre Gedanken lesen kann, und zu welchem sie sich gegen ihren Willen hingezogen fühlt.
Doch für Gefühle ist in den schneebedeckten Rockies wenig Raum, will man überleben. Denn manchmal ist man vom Verderben nur einen Schritt entfernt und der Erfolg der Mission wie das Leben der Beteiligten stehen auf Messers Schneide.

 

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Jennings, Regina: Der vertauschte Bräutigam

Hör auf, etwas zu tun. Hör auf, Dinge zu regeln, und lass den Garten einfach wachsen. Es wird genau das wachsen, was du gesät hast. (Seite 336)

 

Cover: Der vertauschte BräutigamZum Inhalt

Abigail Stuart aus Ohio arbeitet in den letzten Tagen des amerikanischen Bürgerkrieges als Krankenschwester in einem Lazarett. Einer ihrer Patienten, Jeremiah Calhoun, macht ihr vor seinem Tod ein seltsames Angebot: sie solle ihn heiraten, dafür würde sie seine Farm erhalten, wenn sie sich um seine Schwester und seine Mutter kümmern würde. Da Abigail nicht weiß, wohin sie nach dem Krieg gehen soll, willigt sie ein.
In Missouri angekommem, scheint es der Familie zwar seltsam zu sein, daß ihr Sohn geheiratet haben sollte, aber dennoch wird sie mit offenen Armen empfangen. Aber eines Tages taucht Jeremiah Calhoun auf - lebendig und offensichtlich jemand ganz anderes als der, den sie geheiratet hat...

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05: Der Hausbau schreitet voran

Karton Busch BahnwärterhausDie Zeit vergeht schneller, als ich es mitbekomme. Nun ist schon wieder fast ein Jahr seit meinem letzten Beitrag hier vergangen. Zwischenzeitlich ist erst wenig - und dann ziemlich viel passiert.

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Cover: Dampf im WirtschaftswunderlandZum Inhalt (Quelle: nach Verlagsangabe)

Der Bildband würdigt die letzten drei Jahrzehnte der Dampftraktion in Westdeutschland mit einmaligen, bisher unveröffentlichten Fotos aus dem britischen Online Transport Archive, das die fotografischen Nachlässe zahlreicher Freude des Schienenverkehrs für die Nachwelt erhält.

 

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